Revisited Band 14
272 Seiten, Hardcover mit Leseband
Mit einem Nachwort von Dr. Franz Rottensteiner

€ 24.90

ISBN 978-3-902950-109

Vergriffen

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Thea Von Harbou

Metropolis

Metropolis: die glitzernde Stadt der Zukunft.
Die Liebe: Mittlerin zwischen Arm und Reich.

Entdecken Sie den Originalroman zu Fritz Langs Kultfilm 90 Jahre nach seinem ersten Erscheinen.

Joh Fredersen, ein Großindustrieller, ist Herr über Metropolis, die glitzernde Stadt der Zukunft. Die Reichen vergnügen sich in den Freizeitgärten der Oberstadt, während die Arbeiter in der unterirdischen Stadt ein erbärmliches Leben fristen müssen.
Freder Fredersen, Sohn des Metropolis-Bosses, trifft eines Tages Maria, eine Frau aus der unterirdischen Stadt. Er verliebt sich in sie und lässt sich von ihr in die Unterwelt führen. Sie wird von den Arbeitern respektiert und verehrt.

In der Armensiedlung wollen die Arbeiter nicht mehr länger im Elend leben. Es kommt zum Aufstand: Wissenschaftler Rotwang, ehrgeizig und dem alten Fredersen spinnefeind, verschleppt Maria und konstruiert eine mechanische Doppelgängerin, die die Arbeiter zur Revolution aufhetzt …

Thea von Harbous Zukunftsroman – die Aufhebung von Klassengrenzen in einer Volksgemeinschaft imaginierend – und Liebesgeschichte in einem inspirierte Fritz Lang zu seinem filmischen Meisterwerk.

Dr. Franz Rottensteiner, ehemaliger Berater der Phantastischen Bibliothek im Suhrkamp-Verlag, verfasst das Nachwort.

Es war eine Stunde nach Mitternacht.
Joh Fredersen kam zu seiner Mutter Haus.
Es war ein Bauernhaus, einstöckig, mit Stroh bedeckt, von einem alten Nußbaum überschattet, und es stand auf dem flachen Rücken eines der Steinriesen unweit vom Dom. Ein Garten voller Lilien und Malven, voll Wicken, Mohn und Kapuzinerkresse schmiegte sich rings um das Haus.
Joh Fredersens Mutter hatte nur einen Sohn, und den hatte sie sehr von Herzen geliebt. Aber der Herr über die große Metropolis, der Herr der Maschinenstadt, das Hirn im Neuen Turm Babel war ihr fremd geworden und sie ihm feindselig. Sie hatte es einmal mitansehen müssen, wie einer von Joh Fredersens Maschinentitanen Menschen zermalmte, als wären sie dürres Holz. Sie hatte zu Gott geschrien. Der hörte sie nicht. Sie fiel zu Boden und stand nie mehr auf. Nur Kopf und Hände blieben lebendig an dem gelähmten Körper. Aber die Kraft einer Heerschar loderte in ihren Augen.
Sie wehrte sich gegen den Sohn und gegen das Werk ihres Sohnes. Aber er ließ sie nicht; zwang sie zu sich. Als sie ihm zornig schwor, daß sie in ihrem Hause – unter dem Strohdach, das der Nußbaum überwölbte – leben wollte bis an den letzten Tag, pflanzte er das Haus und den Baum und den sommerbunt blühenden Garten auf das flache Dach des steinernen Häuserriesen, der zwischen dem Dom und dem Neuen Turm Babel stand. Der Nußbaum krankte ein Jahr; dann grünte er weiter. Ein Wunder an Schönheit, blühte der Garten ums Haus.
Wenn Joh Fredersen dieses Haus betrat, kam er aus schlaflosen Nächten und bösen Tagen.
Er fand seine Mutter, wie er sie immer fand: in breitem, weichem Stuhl am offenen Fenster sitzend, die dunkle Decke auf den jetzt gelähmten Knien, auf dem Schrägtisch vor ihr die starke Bibel, in den schönen Altfrauenhänden die zierliche Bildspitze, an der sie nähte; und wie immer, wenn er zu ihr kam, legte sie stumm die feine Arbeit beiseite und faltete ihre Hände fest im Schoß, als müsse sie allen Willen und jeden Gedanken für die kurzen Minuten sammeln, in denen der große Sohn bei seiner Mutter war.
Sie gaben sich nicht die Hand; das taten sie nie mehr.
»Wie geht es dir, Mutter?« fragte Joh Fredersen.
Sie sah ihn an mit den Augen, in denen die Kraft einer himmlischen Heerschar leuchtete. Sie fragte: »Was willst du, Joh?«
Er setzte sich ihr gegenüber und legte die Stirn in die Hände.
Es gab keinen Menschen in der großen Metropolis noch sonst irgendwo in der Welt, der sich hätte rühmen können, Joh Fredersen jemals mit gesenkter Stirn gesehen zu haben.
»Ich brauche deinen Rat, Mutter«, sagte er gegen die Dielen.
Die Augen der Mutter ruhten auf seinem Haar.
»Wie sollte ich dir raten, Joh? Du bist einen Weg gegangen, auf dem ich dir nicht folgen konnte, mit meinem Kopfe nicht, und ganz gewiß nicht mit meinem Herzen. Nun bist du so weit weg von mir, daß meine Stimme dich nicht mehr erreichen kann. Und wenn sie dich erreichen könnte, Joh, würdest du auf mich hören, wenn ich zu dir sagte: Kehre um? Du hast es damals nicht getan und würdest es heute nicht tun. Auch ist schon allzuviel geschehen, das sich nicht mehr ungeschehen machen läßt. Du bist an allzu vielen schuldig geworden, Joh, und bereust es nicht, sondern glaubst dich im Recht. Wie soll ich dir da raten können?«
»Es handelt sich um Freder, Mutter.«
»Um Freder?«
»Ja.«
»Was ist mit Freder?«
Joh Fredersen antwortete nicht sogleich.
Die Hände seiner Mutter zitterten sehr, und wenn Joh Fredersen aufgesehen hätte, so wäre ihm das nicht verborgen geblieben. Aber Joh Fredersens Stirn blieb auf seine Hände gesenkt.
»Ich mußte zu dir kommen, Mutter, weil Hel nicht mehr lebt.«
»Und woran ist sie gestorben?«
»Ich weiß: an mir. Du hast es mir oft und auf harte Weise klargemacht, Mutter, und du sagtest, ich hätte kochenden Wein in einen Kri-stall gegossen. Da mußte das schöne Glas zerspringen. Aber es reut mich nicht, Mutter. Nein, es reut mich nicht. Denn Hel war mein.«
»Und starb daran?«
»Ja. Wäre sie niemals mein geworden, vielleicht lebte sie heute noch. Lieber soll sie tot sein.«
»Das ist sie, Joh. Und Freder ist ihr Sohn.«
»Was willst du damit sagen, Mutter?«
»Wenn du es nicht genausogut wüßtest wie ich, Joh, dann wärst du wohl nicht heute zu mir gekommen.«
Joh Fredersen schwieg. Durch das geöffnete Fenster klang das Rauschen des Nußbaums als ein träumerischer und ergreifender Laut.
»Freder kommt oft zu dir, Mutter, nicht wahr?« fragte Joh Fredersen.
»Ja.«
»Er sucht Hilfe bei dir gegen mich.«
»Er hat sie wohl nötig, Joh.«
Schweigen. Dann hob Joh Fredersen den Kopf. Seine Augen sahen aus wie mit Purpur gesprenkelt.
»Ich habe Hel verloren, Mutter«, sagte er. »Freder darf mir nicht verlorengehen.«
»Mußt du denn fürchten, daß du ihn verlierst?«
»Ja.«
»Dann wundert es mich«, sagte die alte Frau, »daß Freder nicht noch vorher den Weg zu mir gefunden hat.«
»Er ist sehr krank, Mutter.«
Die alte Frau machte eine Bewegung, als wollte sie sich erheben, und in ihre Erzengelaugen kam ein zorniger Glanz. »Als er vor kurzem bei mir war«, meinte sie, »war er gesund wie ein blühender Baum. Woran ist er krank geworden?«
Joh Fredersen stand auf und begann im Zimmer hin und her zu gehen. Er spürte den Duft der Blumen, der vom Garten durch die Fenster strömte, als etwas Schmerzerregendes, das ihm die Stirn in Falten riß.
»Ich weiß nicht«, sagte er plötzlich, ganz unvermittelt, »wie dieses Mädchen in sein Leben treten konnte. Ich weiß nicht, wie sie die ungeheure Macht über ihn gewann. Aber ich habe aus seinem eigenen Mund gehört, wie er zu ihr sagte: ›Mein Vater hat keinen Sohn mehr, Maria‹ …«
»Freder lügt nicht, Joh. Also hast du ihn schon verloren.«
Joh Fredersen antwortete nicht. Er dachte an Rotwang. Der hatte die gleichen Worte zu ihm gesagt.

Die Metropolis-Neuauflage ist ein schöner Anlass, um 90 Jahr nach Entstehn des für die Entwicklung der Ikonographie der Science Fiction so wichtigen Zukunftsromans noch einmal - oder gar zum ersten Mal in Prosaform - in die glitzernde Metropole von Morgen zu treten und dort den tobenden Klassenkampf zu erleben.
Christian Endres, diezukunft.de


Was soll man also sagen? Unsinn, Wahnsinn, Irrsinn. Oder anders ausgedrückt: unbedingt lesenswert.
Josefson, DerStandard.at

Rezensionen

2014-11-15 - DerStandard.at, Sci-Fi
Die Wahrheit ist hier drinnen.
Ansichtsache: Josefson zu Thea von Harbous "Metropolis"
http://derstandard.at/2000006233554/Rundschau-Die-Wahrheit-ist-hier-drinnen?_slide=5

2014-10-17 - Kurier
Bibel, Marx und Frankenstein
Barbara Mader über Thea von Harbous "Metropolis"
http://kurier.at/kultur/literatur/bibel-marx-und-frankenstein/91.555.221

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