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Buchreihen
Mit einem Nachwort von Veronika Hofeneder
301 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
€ 24.00
ISBN 978-3-90295-083-3
Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.
Gina Kaus erzählt in ihrem packenden Roman meisterhaft von den vielfältigen Menschenschicksalen auf einem Luxusdampfer; virtuos durchleuchtet sie die Passagiere auf dem Schiff und spürt deren verborgene Sehnsüchte und Leidenschaften auf.
Der Kurarzt Thomas Wohlmut heuert als Schiffsarzt auf dem Überseeschiff Columbia nach New York an, um seine Ehefrau Sybil, die ihn wegen eines Liebhabers verlassen hat, zur Rückkehr zu bewegen. Aufgrund seiner medizinischen Tätigkeit erhält er Einblick in alle Klassen des Schiffes und lernt Menschen aller Gesellschaftsschichten kennen. Die Schicksale und Wege der Passagiere überschneiden sich immer wieder – und lenken Wohlmut von seinen eigenen Problemen ab: Da ist die nicht mehr junge Sängerin Louise, die sich ein Comeback in den USA erhofft; die schöne Baronesse Friederike von Mergentheim, die 1. Klasse reist, weil sie einen reichen Mann ins Netz locken will, während ihr rauschgiftsüchtiger Bruder in der 3. Klasse reist und Thomas immer wieder um Morphium anfleht. Bei der Ankunft in New York, nach finanziellen Enttäuschungen und persönlichen Niederlagen haben sich die Perspektiven der Passagiere verschoben. Thomas lässt Sybil ziehen. Nicht zu Unrecht wurde der Roman Luxusdampfer oft mit Vicki Baums Menschen im Hotel verglichen.
Thomas überlegte kurz. Nein, er wollte nicht gleich in den Speisesaal. Sybil soll vor ihm dort sein, damit sie nicht fliehen kann, kaum daß sie ihn erblickt. Er wird erst in einer Viertelstunde in den Speisesaal gehen.
Er wanderte in sein Sprechzimmer, öffnete den Apothekerkasten und nahm die Flasche mit der Aufschrift »Bromural«, löste eine Messerspitze Pulver in einem Glas Wasser und trank es langsam leer. Er wird an ihren Tisch treten, er wird sich wortlos zu den beiden setzen, sie werden ihn anstarren wie Banquos Geist … Ach Unsinn! Es wird kein Platz an ihrem Tische sein, es wird überhaupt im Speisesaal keine Möglichkeit geben, mit Sybil zu sprechen, es wird …
Er ging zum Schreibtisch. In einer großen Ledermappe, mit dem Goldaufdruck der Columbia geschmückt, fand er Briefbogen und Umschläge. Er schrieb:
»Gib mir sofort Nachricht, wann Du zu mir kommst. Es muß unbedingt noch vor dem Abend sein, sonst« – er hielt inne. Alles, was sich diesem »sonst« gesellen wollte, war ihm unsäglich widerwärtig. »Sonst geschieht vielleicht ein Unglück« oder »sonst stehe ich nicht für meine Handlungen«. Es war sein Recht, so zu schreiben und es entsprach auch der Wahrheit: Bei dem Gedanken, daß Sybil seine Forderung nicht erfüllen könnte, umnebelte sich sein Bewußtsein vor Wut und Bitterkeit. Aber – es lag etwas Erpresserisches darin, ihr diese Gefahr vor Augen zu führen, etwas, das seiner ganzen Natur widersprach. Er strich das »sonst« wieder durch und schrieb: »Es ist wohl das Mindeste, was ich von Dir verlangen kann.«
Er sprang auf und lief durch die Kajüte, er riß die Tür zum Operationszimmer auf, kehrte aber wieder um, ohne einzutreten. Er war so aufgeregt, als ob er bereits zu Sybil spräche. Er konnte nicht weiterschreiben, weil seine Hände zu stark zitterten. Er starrte eine Weile lang geistesabwesend auf seine zitternden Hände, drehte sie dann um und starrte in die Flächen. Seit zwei Tagen waren seine Handflächen beständig feucht. Er wußte gut, daß dagegen nichts zu machen war, man konnte waschen, sooft man wollte, und auch das Brom würde nichts helfen. An und für sich war das auch weiter nicht wichtig. Aber wie sollte man mit diesen feuchten, zitternden Händen die richtigen Worte schreiben – die zwingend waren, ohne zu drohen?
Nach einer Weile setzte er sich wieder hin und fügte eine weitere Zeile hinzu: »Ich verspreche Dir, daß Du bei dieser Unterredung nichts von mir zu fürchten hast.«
Nachdem er diese Zeile geschrieben hatte, wurde er etwas ruhiger. Er wußte, daß er sein Versprechen halten würde. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn zu sich. Dann sah er nach der Uhr: Die Viertelstunde war vorüber.
Der Speisesaal befand sich ebenfalls auf dem E-Deck, er mußte nur den Korridor entlanggehen. Er versuchte zunächst, durch die Glastäfelung der großen Doppeltür zu sehen, die war aber von innen mit weißer Seide bespannt. Hinein! kommandierte er sich. Er preßte beide Hände an die Schläfen – ließ aber sogleich wieder los: so widerlich war ihm die Berührung seiner eigenen feuchten Finger. Dann trat er ein.
Sogleich stand ein Steward neben ihm: »Welche Kabinennummer,
bitte?«
»Ich bin der Schiffsarzt.«
Der Steward nickte: »Am Offizierstisch« und ging voran, an vielen kleinen runden Tischen vorbei, an denen Menschen saßen, aßen, schwatzten und lachten. Unter ihnen mußte Sybil sein, aber er sah sie nicht, er sah überhaupt nichts. Seine Beine waren seltsam weich, und er hatte eine Art Krampf im Kiefer, als könne er den Mund weder öffnen noch schließen. Ein einziges Mal in seinem Leben war es so ähnlich gewesen, er hatte in der Schule was angestellt und war mit dröhnender Lehrerstimme vors Katheder gerufen worden. Aber diesmal war doch er es nicht, der etwas angestellt hatte – und doch war tiefe Scham in ihm.
Gina Kaus spürt mit feiner und durchsichtiger psychologischer Meisterschaft Charakterzügen nach.
Die Rheinpfalz
Sie schrieb so gut wie, wenn nicht besser als ihre Freundin Vicki Baum.
Hilde Spiel
Mit dem 1932 erschienen Roman „Luxusdampfer“ hat die gebürtige Wiener Autorin undDramatikerin Gina Kaus, die nach der Flucht vor den Nazis in Hollywood Fuß fassen konnte und bis zu ihrem Tod 1985 in Los Angeles lebte, ein famoses Panorama der Ängste und Sehnsüchte der Zwischenkriegszeit geschaffen – verpackt in die fesselnde Geschichte einer gescheiterten Liebe. Der Milena Verlag hat den tollen Roman neu aufgelegt.
Christoph Hartner, Krone
Luxusdampfer heißt einer der erfolgreichsten Romane von Gina Kaus. Das Buch war über Jahrzehnte hinweg ein moderner Klassiker, ehe es ein Stück weit in Vergessenheit geriet. Nun schickt man diesen Ocean Liner, so der Titel der amerikanischen Ausgabe, ein weiteres Mal auf große Fahrt: in einer Neuausgabe und mit einem sehr klugen und kompetenten Nachwort von Veronika Hofeneder.
Susanne Schaber, Ex Libris, ORF
Gina Kaus bietet mit dem Instrumentarium des Unterhaltungsromans und mit ihren Figuren – von proletarischen Mädchen, die alles für den sozialen Aufstieg tun, ohne sich als Opfer zu präsentieren, über morphiumsüchtige Barone, die sich in neue Gesellschaftsstrukturen nicht einordnen können, bis zu Krankenschwestern mit tragischen Lebensgeschichten – ein hellsichtiges Porträt der Zwischenkriegszeit. Durch Zeitungsmeldungen sind die aktuellen politischen Ereignisse präsent, auch wenn die ProtagonistInnen des Romans davon ziemlich unberührt erscheinen. Ganz nebenbei wird der Idee der romantischen Liebe eine Absage erteilt und die kameradschaftliche, gleichberechtigte Liebesbeziehung propagiert. Dem Milena Verlag ist zu danken, dass er mit der Neuausgabe dieses Bandes in seiner Klassikerreihe ein wichtiges Werk dieser nach ihrer Emigration 1939 in den USA lebenden Autorin wieder zugänglich und durch das kenntnisreiche Nachwort von Veronika Hofeneder in seinem Stellenwert kenntlich gemacht hat.
Helga Widtmann, Weiberdivan
Vom Geld träumen sie alle. Angefangen bei all denen, die sich die Überfahrt auf der „Columbia“ eigentlich gar nicht leisten können. (...) Am Ende lässt die Autorin dieses Kammerspiels nicht alle als Verlierer von Bord gehen. Einige machen eine Wandlung durch, manchen finden endlich zu sich selbst oder steigen sozial unverhofft auf. Nicht ohne Grund war Gina Kaus Schülerin des Individualpsychologen Alfred Adler. Ihre Charakteranalysen lassen nicht an Schärfe zu wünschen übrig. (...) „Luxusdampfer“ ist da keine Ausnahme. Die Gruppentherapie auf engstem Raum erteilt mit sachlicher Leichtigkeit eine Lektion darüber, was passiert, wenn Bereicherungsgier den Blick für aktuelle politische Gefahren trübt.
Alexandra Wach, MARE