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Buchreihen
368 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
Mit einem Nachwort von Peter Zimmermann
€ 24.00
ISBN 978-3-902950-96-3
Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.
… und glauben, es wäre die Liebe
Acht junge Menschen der dreißiger Jahre verleben einen heißen Sommer miteinander – man trifft sich beim Mokkakränzchen oder im Strandbad und schwärmt füreinander. Friedrich Torberg enthüllt ihre Gefühle und Gedanken in kunstvollem Wechsel, das alles beherrschende Thema ist die Liebe.
Hilde, Viktor, Hans, Ruth, Manfred, Walter, Tanja, Peter – acht junge Leute treffen sich einen Sommer lang, Hans und Peter sind in Hilde verliebt, Viktor und Walter in Tanja, Peter in Ruth und Hilde in Peter … Sie alle schreiben Tagebuch und ihre Beziehungen und Liebschaften sind einem ständigen Wandel unterworfen. Sie versuchen sich den persönlichen und gesellschaftlichen Problemen einer politisch erschütterten Zeit zu stellen – und scheitern gleichermaßen an der Unfähigkeit, über sich hinauszudenken, wie an der unüberwindlichen Eingrenzung, dass keiner jemals wissen kann, was selbst im Allernächsten vorgeht.
Mit seinem zweiten, 1932 erschienenen Roman stand der damals 23-jährige Torberg vor der Aufgabe, an den Sensationserfolg seines Erstlings, des „Schüler Gerber“, anzuknüpfen. Sowohl bei den Kritikern als auch dem Publikum ist ihm das gelungen. Torberg zeigt sich erneut als ausgezeichneter Beobachter, mit einer psychologischen Eindringlichkeit von erstaunlichem Tiefgang und dem bohrenden Bemühen um Klarheit, das ihn zum Anwalt seiner Generation machte.
AM 2.MAI
VIKTOR HELLMER
Es ist offenbar schon zu lange Ruhe gewesen. Und Tanja kann Ruhe nicht ertragen, etwas muß los sein um sie — oder sie selbst wird nach einiger Zeit unruhig, aus irgend einem albernen Verdacht, den ihre ewig lauernde Unsicherheit ihr einbläst, für sie gibt es die Ruhe offenbar nur vor dem Sturm, und wenn dieser Sturm sich dann nicht erheben will, so entfesselt sie ihn eben selbst. Die Mühe, ihn zu besänftigen, bleibt ausschließlich mir überlassen, und leider habe ich mich ihr diesmal nicht vollkommen gewachsen gezeigt. Gerade daß ich noch in der Lage war, Tanja von dem unsinnigen Plan einer Unterredung zwischen mir und Gregor Gál abzubringen, ihr klarzumachen, daß es seit jener ersten und einzigen Zusammenkunft damals, in die sie mich ohne vorherige Information hineingelockt hatte, für mich schlechthin ein Ding der Unmöglichkeit wäre, ihm nochmals persönlich gegenüberzutreten — was außerdem, meiner Überzeugung nach, praktisch vollkommen wertlos wäre. Das sah sie also noch ein. Aber nun — wohl um ihren Rückzug zu decken — versteifte sie sich erst recht darauf, daß ich wenigstens brieflich „die Situation bereinigen“ sollte. Und ihrer querköpfigen Backfischkonsequenz („wenn du mich liebst, dann mußt du es eben tun“) gelang es bald, mich zu zermürben. — Eine alte und allgemeingültige Erfahrung: der Vernunft gegenüber behält man viel leichter die Oberhand. Hundert noch so schlagenden Argumenten vermag ich standzuhalten — aber ein blödsinniges macht mich vollkommen hilflos.
AM 3.MAI
HANS FALBIN
Mit Elli im Kino, Film langweilig, Elli langweilig, alles langweilig. Daß es heutzutage noch Mädchen gibt, die sich bei einem geeigneten Lied an ihre männliche Begleitperson schmiegen, ist zum Weinen. Und daß man sich zurückschmiegen muß, erst recht. Aber da hilft leider nichts. — Nachher gab ich ihr zart zu verstehen, daß ich ihr gerne die neuen Platten im Atelier vorspielen möchte. Da begehrte sie versuchsweise auf und in die Höh’. Warum ich ihr nicht gleich davon gesagt hätte, gar so einfach wäre das nicht, wir hätten vielleicht (vielleicht, sagte sie) statt ins Kino ins Atelier gehen können, aber jetzt, nicht wahr, sie darf nicht so lange ausbleiben, Papa hat es ihr überhaupt verboten, erst neulich war großer Krach. Nun? Nun, heute ist er zwar nicht zu Hause, sie muß aber früher da sein als er, es wäre also sehr riskant — kurz und gut, sie hatte sich vorgestellt, daß ich zu bitten beginnen würde.
Ich begleitete sie mit leisem Bedauern bis zum Autobus, so, da wären wir, auf Wiedersehen. — Auf Wiedersehen, lieber Hans, und rufen Sie mich doch mal an, wenn Sie Zeit haben. — Leider, ich fürchte, ich werde in der nächsten Zeit keine haben. — Na, dann rufe ich vielleicht gelegentlich an, nicht? — Bitte sehr. —
Laune war vorhanden, aber leider kein hiezu passendes Mädchen. Ruth scheint bei irgendwem zu hängen, sie erklärte sich am Telefon verhindert und war auch abends nicht im Café. Hingegen beehrten uns die Herren Grohmann und Ebinger wieder einmal mit ihrer persönlichen Anwesenheit, die sie anscheinend für sehr kostbar halten. Mir können sie gestohlen bleiben. Leo, der vor jeder Stirn, die höher ist als seine, auf den Hintern fällt, findet, daß Grohmann „irgendwie bedeutend“ aussieht. Ich habe ihm vor allem das „irgendwie“ streng verboten, obwohl es ja zu Grohmann und der Atmosphäre, die er um sich verbreitet, ganz gut paßt. — Grohmanns Gesicht ist übrigens wirklich nicht übel. Aber die Figur! Viel zu schmal, dabei schwere Hüften, und demzufolge latschiger Gang. Müßte ein bißchen Ski laufen, der Bursche, oder schwimmen (nicht baden). Aber dagegen sträubt er sich. Er plapperte da einmal etwas von einer „verdummenden Lockung des Rekords“ und daß er deshalb gegen den Sport ist. Wie schon häufig gesagt: ein Klugscheißer. (Sein Mitläufer Ebinger — oder ist es umgekehrt — gab ihm natürlich recht. Der soll überhaupt ganz ruhig sein.)
RUTH K.
Peter Busch ist so rührend. So ganz anders als die andern. Komisch, wem ich das schon alles gesagt habe und wer es mir schon geglaubt hat. Nämlich jeder. Vielleicht ist die Welt deshalb so banal, weil sie von lauter Ausnahmen bevölkert wird. Ich erinnere mich an keinen, der sich nicht für eine Ausnahme gehalten hätte. Doch, einer, Ludi K. Der sagte, es wäre ihm sehr peinlich, und er hätte gar keinen Ehrgeiz, anders zu sein. — Seit meiner Beteuerung, daß ich ihm das natürlich angemerkt habe, und daß ja gerade darin seine Andersartigkeit besteht, ist auch Ludi K. unter die Ausnahmen gegangen …
Bei Peter liegt die Sache aber nicht so einfach. Er ist wirklich anders. Wenigstens kommt es mir so vor, d. h. er ist ganz sicher anders als alle, mit denen ich bis jetzt zu tun hatte. Ich weiß nicht, woran das liegt. Merkwürdig. —
Von Hilde kam gestern Nachricht, sie muß morgen oder übermorgen dasein. Ich bin neugierig, was sie eigentlich mit diesem Märchenprinzen hatte.
AM 4.MAI
HILDE R.
So. Koffer gepackt, Rechnungen gezahlt, Schlafwagenkarten bestellt, Eltern nervös — es ist endgültig aus.
Aus. Auch mit dem Märchenprinzen. Gestern, viel zu spät, erfuhr ich endlich, wo er wohnt. Natürlich nicht in einer einsamen Waldvilla, sondern brav und gewöhnlich in einem Hotel. Das mit dem „weit nach Hause“ war nichts als ein Trick — nennen wir es Trick, sagte ich möglichst süffisant, wir sind wohlerzogene Menschen und gebrauchen ungern schärfere Ausdrücke.
Er wurde, obwohl sich das doch gehört hätte, nicht im mindesten verlegen — stimmt, Sie haben recht, ich wohne gar nicht da draußen, aber wissen Sie: ich liebe es, nachts noch ein wenig allein spazieren zu gehen, und das möchte ich nicht weiter erklären wollen.
Mein Lämmchen. Wie treuherzig du dabei dreingeschaut hast. Man konnte dir gar nicht böse sein.
Vom Portier war auch nichts herauszukriegen — jawohl, der Herr wohnt hier — allerdings — unter einem Decknamen abgestiegen — habe leider keine Erlaubnis — bedaure. —
Decknamen! Gott weiß, was für ein Erhabener es ist, an den ich mich da in meiner ganzen irdischen Nichtigkeit heranwagte. Dichter? Schauspieler? Hochstapler? Eigentlich alles dasselbe.
Ich bin doch ganz froh, von hier wegzukommen. Die Sache ging mir schließlich nur auf die Nerven.
Ein Sommer Anfang der 1930er-Jahre. Kaffeehaus- und Strandbadbesuche, Landpartien und Gedanken über die Liebe und das Leben – akribisch festgehalten in kontinuierlichen Tagebucheinträgen. Bunt, was die Emotionen und Sehnsüchte anbelangt, erscheint den jungen Menschen das Leben hier, und trotzdem ziemlich schwierig und verstrickt. Als Friedrich Torberg seinen zweiten Roman „... und ¬glauben, es wäre die Liebe“ 1932 veröffentlicht, ist er selbst 23 Jahre alt. Mit seinem vielversprechenden Debüt „Der Schüler Gerber“ hat er die Latte hoch gelegt. Rückblickend lässt sich sagen, dass der zweite, mit dem Julius-Reich-Preis ausgezeichnete ¬Roman beispielsweise im Vergleich zu seiner ¬berühmten Anekdotensammlung „¬Tante ¬Jolesch“ kaum an Popularität gewonnen hat, obgleich ihn die Kritik damals durchaus auch wohlwollend bedacht hat.
Schon im „Schüler Gerber“ steht eine Schar junger Menschen im Mittelpunkt, gruppiert um einen Protagonisten. In diesem Roman verarbeitet Torberg Erfahrungen aus seiner Schulzeit, indem er die rigiden Hierarchien dokumentiert, die sich damals durch alle Bereiche des Lebens ziehen. Mit dem Selbstmord des Protagonisten entlarvt er die Unmenschlichkeit gesellschaftlicher Strukturen, an denen Gerber gnadenlos zerbricht. Torberg zeigt seine Hauptfigur in einer sensiblen Lebensphase als einen Suchenden, der am verkrusteten Machtgefüge ebenso wie an den an ihn gestellten Anforderungen scheitert.
Im zweiten Roman greift Torberg Motivsplitter daraus wieder auf, aber aus völlig neuer Perspektive betrachtet. Auch hier geht es um Liebe und um die Sinnsuche in der Auseinandersetzung mit dem Leben; wie bereits im „Schüler Gerber“ bleibt der Selbstmord eine Option. Das Geschehen kreist um ein paar junge Leute Anfang Zwanzig, die in ihrer ganz privaten Situation gezeigt werden. Im Alltag scheint sie nicht zu tangieren, dass die Zeit politisch sehr brisant ist. Denn in ihren zahlreichen Begegnungen ist nie die Rede von Politik oder gar sozialen Krisen. Peter Zimmermann verweist in seinem profunden Nachwort der Neuauflage darauf, dass Torberg gerade dies von der Kritik vorgeworfen worden ist: „Wie kann man ausgerechnet die Liebeswirren einer Handvoll junger Menschen, die sonst scheinbar keine Sorgen haben, vor solch einem historischen Hintergrund zum Thema eines Romans machen? Warum diskutieren diese Menschen [...] nicht die politische und wirtschaftliche Lage des Landes, in dem sie leben?“ Zimmermann sieht den Grund dafür im „Drama der Unaussprechlichkeit“, das sich wie ein roter Faden durch diese Prosa zieht. Er konstatiert darin Sedimente der Sprachskepsis, wie sie Fritz Mauthner oder Hugo von Hofmannsthal damals konkretisiert haben.
Die jungen Leute treffen einander ¬einen Sommer lang, pflegen Freundschaften oder als Konkurrenten nur losen Kontakt. Im Fokus stehen Beziehungen verbunden mit ständig neuen emotionalen Metamorphosen und Verirrungen. Die Protagonisten scheinen über ein großes Kontinuum an Zeit zu verfügen. Ihr Leben erinnert an das der Bohemiens zur Zeit der Wiener Moderne, auch wenn man sich explizit und bewusst davon abgrenzt: „Das Kaffeehaus ist durch die anekdotische Überschätzung einiger harmloser Literaten in Verruf gekommen.“ Trotzdem geht man zum Mokkakränzchen ins Café, trifft einander zu zweit oder macht Ausflüge: „Über ihren Lebensunterhalt geben sie keine Rechenschaft ab, man dichtet, malt oder studiert, ohne Leidenschaft allerdings und ohne rechte Vorstellung davon, wie man sein restliches ¬Leben zu gestalten beabsichtigt, denn was wäre das für ein Leben, das unsere Eltern verstünden? Von diesen hat man sich ein wenig abgesetzt, aber doch nicht so weit, als dass man sich Sorgen machen müsste um offene Rechnungen“, heißt es bei Zimmermann.
Unter den jungen Menschen nimmt Walter Grohmann gewissermaßen eine Schlüsselrolle ein. Er studiert auf Wunsch seines Vaters Jus, obwohl er „Obrigkeiten“ und „offizielle Befugnisse“ verabscheut, und im Wissen, dass er den Beruf eines Advokaten niemals ausüben wird. Er lässt sich vielmehr von seinen schriftstellerischen Ambitionen leiten und lernt Tanja kennen, die geheimnisvollste Frau der Gruppe. Als er sich in sie verliebt, ist es seine Intention, „das Tagebuch einer Liebe“ zu führen, den Gefühlsverlauf festzuhalten und sich der „Ehrlichkeit des Selbstgesprächs“ zu stellen, das er zudem auch als „Training der Selbstdisziplin“ sieht. Auch die Freunde notieren ihre Befindlichkeiten, was erstaunt und ungewöhnlich ist. Häufig wird ein und dasselbe Ereignis daher polyperspektivisch und unterschiedlich dargestellt. Manche entblößen darin ungewollt ihre eigene Oberflächlichkeit, manche wirken verbindend und integrativ, andere wiederum zeigen sich in ihrer ganzen Verletzlichkeit. Selbst der unerfüllten Sehnsucht lässt sich noch ein Stück Wonne abgewinnen. „Man kann nicht ‚unglücklich lieben‘. Man kann nur unglücklicherweise nicht geliebt werden. Aber Lieben ist immer Glück.“
Betrachtet man die Gruppe, in der sich permanent neue Beziehungskonstella¬tionen ergeben, vor dem historischen Hintergrund, so erstaunt der freizügige Umgang mit Sexualität in einer konservativen Gesellschaft, auch wenn einer der Freunde eines Tages ganz ernüchtert festhält, dass sie „ganz einfach eine Gesellschaft von Übertreibern“ seien: „Ich möchte wissen, wo da also der Unterschied liegt zwischen gestern und heute, zwischen der Moral von einst und der ,Unmoral‘ von jetzt.“ Präzise hat Torberg in diesen Tagebuchaufzeichnungen eine Generation junger Menschen porträtiert, deren Suche nach Wahrheit ins Leere läuft. Auch wenn den Reflexionen der Protagonisten einiges an Straffung gut getan hätte, gewähren sie einen interessanten Einblick in das Lebensgefühl einer Jugend, die zwischen Identitätsbrüchen, Ohnmacht und Untätigkeit auf dem Weg ist, viel zu verlieren. Als Schlussmotiv kristallisiert sich immer mehr die Leere heraus, die den Blick auf die Tragik der Zeit verstellt.
Furche, Maria Renhardt, August 2019
Eine bestürzende und bewundernswerte Frühreife der Durchführung, bestechend im Technischen, ausgearbeitet in einer Prosa, die vorbildlich ausholt – Torberg ist ein bedeutender Gestalter!
Torberg gibt in diesem ‚Roman unter jungen Menschen‘ eine ebenso großartige wie qualvolle Analyse heutiger Jugend, ein Lehrbuch des Verstehens, Fibel und Einmaleins menschlicher Begegnung.
Im Mittelpunkt stehen die amourösen Verstrickungen der sieben Vertreter des gehobenen Bürgertums, die sich immer wieder im Kaffeehaus zu ihrem Mokkakränzchen einfinden. Die äußere Handlung tritt dabei völlig zurück. Das Berufsleben oder Studium der Protagonisten wird nur angedeutet. Torberg stellt eine Laborsituation her, in der nur diejenigen Vorkommnisse und Gedanken, die mit Liebe zu tun haben, aufgezeichnet werden. Die zentrale Konstellation sind die Zu- und Abwendungen zwischen dem angehenden Schriftsteller Walter Grohmann und der russischstämmigen melancholisch-nervösen Tanja. Dabei will Walter ergründen, inwieweit Aufrichtigkeit in der Liebe möglich ist und da der Roman von den Möglichkeiten der Sprache handelt, geht es dabei um die Ergründung, inwieweit sich Phänomene mit Sprache überhaupt erfassen lassen. (...) Die Autorschaft Torbergs, sein durchgehender einheitlicher Erzählfluss legt sich über die Abschnitte. Und bei Torberg obwaltet spürbar eine dem Feuilleton, der kleinen Form verpflichtete Formulierungsfreude, er ist auf Eleganz des Ausdrucks und auf eine ironische Erzählweise bedacht. (...) Bis zu einem gewissen Grad ist Torbergs Roman das Porträt seiner Generation, einer adoleszenten Jugend aus wohlbehüteten Häusern. (...) Diese Jugend ist gefangen in ständigem Abwägen, Zaudern, gegenseitigem Beobachten, in rhetorischen Spiegelfechtereien. Mit dieser Jugend ist kein Staat zu machen und kein politischer Widerstand zu bewerkstelligen.