2. AUFLAGE
504 Seiten
Broschur

€ 21.00

ISBN 978-3-903184-13-8

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Christopher Just

Der Moddetektiv

Augustin Johnny Sandemann ist der Moddetektiv. Ein gut aussehender, amphetaminsüchtiger Privatermittler in den besten Jahren. Und Christopher Justs Roman so ziemlich das Beste, was schwungvolle, selbstironische und gigantisch unterhaltsame Literatur leisten kann.



Augustin Johnny Sandemann ist ein Privatermittler in Wien. Nach einem verstörenden Traum erwacht er schweißgebadet in seinem Büro. Das Telefon läutet. Es ist Lieutenant Tenant-Tanner, Chef des VNAPD (Vienna Police Department), der ihn um Unterstützung in einem Mordfall in der Subkulturszene bittet. Der Ermordete ist ein Mod. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass nur ein Ted der Mörder sein kann. Zwei Tage später wird bei einem Anschlag mit einer unbekannten Superwaffe beinahe die gesamte Immobilienszene der Stadt ausgerottet. Spätestens jetzt ist dem Moddetektiv klar, dass er einer weitaus größeren Sache auf der Spur ist – kein kleiner Bandenkrieg, sondern eine Bedrohung für die ganze Welt. Und Emerald Westminster III, ein exzentrischer, superreicher Immobilientycoon, steckt in der ganzen Sache tief drin.

Christopher Justs Roman ist eines der seltenen Exemplare, die man, ist man am Ende angelangt, sofort wieder von vorne beginnen möchte. Sein Ins-Absurde-Führen von Genres und Klischees sucht seinesgleichen. Und sprachlich wird hier nicht gekleckert, sondern geklotzt. Ein Riesenlesevergnügen, man kann es nicht oft genug betonen.

Auflösung des Rätsels (S. 496)

»Whooooooo« krähend, fuhr der Moddetektiv aus einem schon hunderte Male durchlebten, immer an derselben Stelle endenden Traum hoch und fand sich auf der Couch seines Moddetektiv-Office wieder, wo er, wie schon so oft, die Nacht verbracht hatte. Nun war es früher Vormittag, und es war einer dieser Sommertage, wo es schon am Morgen so heiß war, wie es später auch sein würde, nur wäre es dann schon Mittag oder Nachmittag, aber jetzt war es erst Vormittag, und die Sonne brannte bereits erbärmlich beim Fenster herein, da halfen auch die letzten drei verbliebenen Dings der nachlässig heruntergelassenen, ausgeblichenen Jalousien nicht.
Zu später Stunde war noch sein alter Kumpel Gaylord Shydare vorbeigekommen und gemeinsam hatten sie etliche Pints des Moddrinks Shandy Cola gekippt. Und Drogentabletten hatten sie auch noch gegessen, jedenfalls: war es verdammt spät geworden …
»Shit!«, fluchte der Moddetektiv, als er bei dem Versuch, sich langsam von der Bürocouch zu rollen, mit seinem burlingtonbesockten Fuß auf einem Stück Fish & Chips vom Vorabend ausrutschte und der Länge nach auf dem dreckigen Boden des Moddetektiv-Office aufschlug. In seinem Kopf heulten zwanzig Presslufthämmer gleichzeitig auf, während Millionen von Staubpartikeln im gleißenden Sonnenlicht aufstoben, um an überquellenden Aschenbechern und leeren Bierdosen vorbei durch den stickigen Raum zu tanzen, bis sie sich schließlich auf dem Big Ben, einer typischen Londoner Telefonzelle oder sonst einem der zahllosen unnützen Scheißdrecke in Miniaturformat, die sich im Laufe der Jahre im Moddetektiv-Office angesammelt hatten, niederließen.
Während der Moddetektiv darüber nachdachte, wie groß wohl die Wahrscheinlichkeit war, dass ein Staubkorn wieder auf exakt denselben Platz herabsegeln würde, von dem es zuvor hochgewirbelt worden war, fischte er sich mit fahrigen Fingern die letzte Rothmans aus dem zerknüllten Päckchen in seiner Brusttasche und betrachtete, indes die dünne Tabakstange mit einem Feuerzeug, auf dem ein Bild des Paddington-Bärs eingraviert war, entfachend, sein zerrüttetes Ebenbild im Spiegel.
Das verwurschtelte Hemd hing ihm wirr zur Hose heraus, darüber baumelte die weit gelockerte Krawatte mit dem »The Jam«-Aufdruck, und genau auf dem »A« klebte – Mann, was für eine Ironie! – ein Marmeladefleck.
Sie hatten sich also auch noch Palatschinken gemacht gestern Nacht, Gaylord Shydare und er, hier, im Moddetektiv-Office, mitten im Soho von Wien – denn so lautete die unter Insidern hinter vorgehaltener Hand geflüsterte Bezeichnung dieses abgedrehten Stadtviertels, dachte sich der Moddetektiv leise wissend. Verdammtes Shandy Cola, er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Oder vielleicht wollte er sich auch nicht mehr daran erinnern? Who knows …
Sein Hair-Style war arg cramped, die Koteletten standen bizarr, nahezu im rechten Winkel von seinen bereits grau melierten Schläfen ab, deren post-juvenile Präsenz seiner gereiften Männlichkeit und dem daraus resultierenden Erfolg bei Frauen bei Weitem mehr als nur ausgesprochen zuträglich war, und die mühselig an der Stirn eingebrannte Haarblume hing ihm nun traurig und welk aufs Hirn. Er würde den French Haircut waschen und komplett neu aufföhnen müssen, denn so unsmart konnte er sich keinesfalls auf die Straße begeben. Und das alles mit diesen verdammten, hämmernden Kopfschmerzen!
Der Moddetektiv (er hieß in echt übrigens Augustin Johnny Sandemann, aber alle kannten ihn nur unter dem Namen »Der Moddetektiv«) schleppte sich fluchend in die Waschecke und genau in dem Moment, als er sich gerade die Haare nass gemacht hatte – das musste ja so kommen –, schrillte das Moddetektiv-Telefon!
»Who the fuck«, zischte der Moddetektiv zwischen den Zähnen heraus und hastete mit klatschnass tropfenden Haaren ziemlich unsmart zum Schreibtisch, um sich den Hörer von der Gabel zu angeln und dem Anrufer ein raues »Wer stört?« entgegenzustoßen. Und auch wenn es vielleicht wie eine Frage geklungen hatte, gemeint war es als knallharte Beleidigung! Ihm war sofort klar, wen er da am Apparat hatte – nämlich Lieutenant Tenant-Tanner –, als eine gequetschte Stimme am anderen Ende der Leitung gequält quengelte: «Moddetektiv – wir haben einen Auftrag für Sie!«
Der Moddetektiv ließ sich ein paar Minuten Zeit, dann entgegnete er: »Lou (das war der Vorname Tenant-Tanners), warum rufen Sie immer mich an, statt Ihre Fälle selber zu lösen?«
»Moddetektiv, es handelt sich um einen Mord in der Szene, eine knifflige Sache, Sie sind der Einzige, der den Fall vielleicht lösen kann, wir brauchen Sie!«
»Okay, geben Sie mir die Adresse«, sagte der Moddetektiv und notierte mit einem Kugelschreiber, in den das Porträt der minderjährigen Queen eingraviert war, auf einem Prinz-Charles-ohrenförmigen Block die Adresse, die ihm Lieutenant Lou Tenant-Tanner buchstabierte: »Naomi – Aylin – Ucke – Bono – Eowin, noch mal Ucke – Ghane – Alfhild – Sabathea – Sabathea – Eberharda. Dann: Robin – Ildefons – Elias – Dagita.«
Der Moddetektiv blickte auf den Block: Naubeugasse Ried. Doch er wusste von Tenant-Tanners legasthenischer Schwäche und brauchte nur ein paar Buchstaben zu verdrehen, dann hatte er die richtige Adresse: Neubaugasse Drei.
Er pfiff leise durch die Zähne, so als ob er die Anschrift gut kannte – und ja, Mann, er kannte sie verdammt gut! Es war das »Scooterboy Inn«, ein Mod-Club allerersten Ranges.
»Gut, Lou, sagen Sie Ihren Männern, sie sollen nichts anrühren, ich bin in zwanzig Minuten da«, dann knallte er den Hörer zurück zwischen die bereitwillig gespreizten Bakelitschenkel seiner gabeligen Schlafstätte. Um in Fahrt zu kommen, warf er erst mal Purple Heart auf den Frühstücks- und eine Scheibe auf den Plattenteller. Es waren The Sons Of A Mod mit dem Food-Good-Song:

Food ease good when its teencane, Dude,
food is base Sir, when its gray Sir,
yeah, yeah, yeah …

Zehn Minuten später stand er mit neu gestyltem French Cut wieder vor dem Spiegel, und im Office roch es nach verbranntem Fett, denn der Moddetektiv hatte sich die Haare vor dem Föhnen nur nass gemacht. Ohne Shampoo, weil erstens hatte er gar kein Shampoo im Office, und zweitens gelang das Föhnen der Frisur besser, wenn die Haare schon ein paar Tage fett waren. Im Kasten hatte er noch einen Ersatzanzug hängen, und der kam ihm jetzt wie gerufen, denn: Er zog ihn an.

Ein echtes Kultbuch erkennt man daran, dass es über Nacht da und Kult ist. Im Falle vom „Moddetektiv“ steht es klugerweise sogar noch am Umschlag, dass es ein Kultroman ist. (...) Der Moddetektiv ist ein Über-Meta-Held jenseits aller gängigen Kriminal- und Detektiv-Boys, der Roman entwickelt eine eigenwillige Kultur, die durchaus logisch angewendet werden kann, er beschreibt eine virtuell-haptische Logik, die allen unsichtbaren Kulten innewohnt. Und schließlich zeigt das Attentat, dass mit einem Funkenflug aus Wien Tschetschenien, aus Rawalpindi Hütteldorf und aus Eisenstadt Dornbirn werden kann, zumindest was das Verwüstungspotential betrifft. - „Wickie fickt / Wicki schwitzt / Wicki spritzt.“ – Hörsturz-schön!
Helmuth Schönauer, Buchkultur April 2017

Wer alles liest, vergisst, was er gelesen hat. Weniger lesen erhöht die Chance des Erinnerns. Wer nur ein Buch liest, z. B. das von Christopher Just, wird es nicht vergessen.
Peter Weibel, Medientheoretiker

Gut 500 Seiten lang reitet Christopher Just durch die Tonlagen und Genres: Ostentativ bemüht er den Groschenheft-Charme von Pulp und Hard-Boiled-Fiction, klischeebeflissen, so wie man es allen Gesetzen der Literaturratgeber-Literatur nicht machen soll, blumig und adjektivreich. "Show, don't tell", heißt eine alte Vorschrift für Autoren – genau das Gegenteil macht Just aber natürlich, und es ist sehr lustig: Eine Sexszene beispielsweise erweckt er nicht etwa durch Andeutungen oder Düfte zum Leben, sondern so: "Sie griffen sich voll aus und es wurde geil." Die vierte Wand wird in "Der Moddetektiv" ständig durchbrochen, der Text schwimmt im Surrealen, alles hier ist Fiebertraum und Drogenrausch, Pappstaffage und Kulissenstadt. So treffen wir hier auch beispielsweise auf einen DJ, der den Namen "Christopher Just" trägt. Er ist ein unsympathischer Kollege, nur noch an Pulvern und den Girls interessiert. Der Autor Christopher Just hingegen ist Meister im Imitieren der Textgattungen. Legt "Der Moddetektiv" Bericht ab über das Nachtleben und die Clubkultur, so klingt das wie aus funky Bezirksblättern und hart bemühten Promozetteln zusammencollagiert: So hören wir im Vorbeigehen von einem DJ Lars Schlafwurm, der da mit seinen Scratch-Rhythms die Acid-Audience und die Creatures of the Night durch die Nacht peitscht. (...) Dann wird es doch auch spannend und krimimäßig, weird. Christopher Just kippt von Godards "Alphaville" zu Helge Schneider, von Columbo zu David Lynch, Raymond Chandler verrennt sich auf Ecstasy in Charlie Kaufmans Theaterstück-im-Film-im-Leben "Synecdoche, New York" . Da wir uns in Wien befinden, kann man bei "Der Moddetektiv" auch den Geist von Kottans Genre-Verbiegungen und Niki Lists "Müllers Büro" schmecken.
FM 4, Philipp L'heritier

Der schwer tablettensüchtige Held namens Augustin Johnny Sandemann ist ein Ritter von der traurigen Gestalt. Er lebt den Mod-Lebensstil weiter, obwohl er den Kontakt zur Szene längst abgebrochen hat. In seinem Job als Detektiv hilft er der Polizei bei der Aufklärung komplizierter Fälle, sehr kompetent wirkt er allerdings nicht. Der spektakuläre Kriminalfall im Buch entpuppt sich als Genreparodie, inklusive einer „Columbo“-Hommage in Gestalt des Inspector Krambambo. Der Krimiplot dient nur als Startrampe, damit Just sich schreiberisch voll austoben kann. Seinen Roman hat er als Metatext angelegt, als lustvolles Spiel mit Lesererwartungen und kontrollierte Abschweifungsorgie. Dank seines Humors, der von grellem Unsinn bis zu hintersinnigem Witz einige Stückerln spielt. Obwohl der Einstieg bewusst holprig geschrieben ist und Just nicht einmal davor zurückschreckt, Grammatikfehler als Stilmittel einzusetzen („Insofern bin ich froh, dass kein großer deutscher Verlag das Buch wollte, dort hätte mir das Lektorat das wahrscheinlich stillschweigend ausgebessert“), entpuppt sich „Der Moddetektiv“ am Ende als Wundertüte mit einer Vielzahl an Tonlagen und Stilmitteln. Das Geblödel hört zwar nie auf, aber es ist auch nicht zu übersehen, dass es ernst genommen werden will. (...)
Kürzlich ist Just nach zweijähriger Social-Media-Abstinenz rückfällig geworden und hat sich wieder auf Facebook eingeloggt, um sein Buch zu promoten. Er habe mit Häme gerechnet, wurde aber mit offenen Armen zurückbegrüßt: „Anscheinend haben manche meine Scherze sogar vermisst. Leider habe ich dadurch wieder damit angefangen, lustige Sachen reinzuschreiben. Wenn ich ein paar Stunden dabeisitze, fühle ich mich nachher richtig niedergedrückt.“ Hilft nur eins: Ein Zweitwerk muss her.

Sebastian Fasthuber, Falter

Dieser August Johnny Sandemann sollte eine möglichst abseitige Figur werden, die sprachliche Arbeit daran war anspruchsvoll. Just hat drei bis vier Schreibstile in seiner Persiflage verwoben, von „Sie griffen sich aus und es war geil!“ bis hin zu Klassikern wie Charles Dickens oder Balzac. Die 14­-stündi­gen Schreibschichten, in denen er an dem Buch arbeitete, „belasteten manchmal schon die Ehe“. Dabei war es seine Frau, die ihm überhaupt erst den Anstoß gab zu diesem Projekt: „Willst du immer der Facebook­-Kasperl bleiben?“, fragte sie ihren Scherzbold.
Manfred Rebhandl, WIENER, März 2017

Rezensionen

2017-04-05 - Wiener online

Wiener des Monats: Christopher Just

Modeaffiner Techno-Produzent und Neo-Romancier.


Christopher Just trägt einen nacht­blauen Ermenegildo­-Zegna-­Mantel, als wir uns nach dem Fotoshooting für den WIENER im Café Westend auf eine Cola light treffen. Dazu einen lila Schal von John Smedley, einen grauen Pullover von Fred Perry, eine Hose von Tiger of Sweden sowie Schuhe von Salvatore Ferragamo, „bösartige Quastenschuhe“, die er mal in New York gekauft hat. Dabei bringt man sein Gesicht bis heute mit Parkas in Verbindung, weil er als junger Bub in den 80ern Mod war. Den letzten hat er sich vor drei Jahren gekauft, aber er kann noch immer stundenlang darüber referieren – über die Stoffqualität, über den Schnitt. „Es ist einfach ein gutes Kleidungsstück“, sagt er.

Für eine Wiener Szenefigur, die in den 90er­-Jahren groß geworden ist, hat sich Just erfreulich gut gehalten. Das liegt womöglich an seiner Alkohol­ und Drogen­abstinenz, die er sich nach umtriebigen Jahren als Techno­-Produzent verordnete, zusammen mit DJ Pure gelangen ihm ein paar Hits. Als Ilsa Gold tourten die beiden durch die europäische Ravelandschaft. Reich ist er nicht geworden damit, aber er konnte mal ganz gut davon leben. Davor besuchte er die Modeschule in Het­zendorf, machte den DJ im alten Motto und studierte ein bisschen Malerei bei Wolfgang Hutter. Heute malt er nur noch Gerhard­ Richter­-Bilder nach, was gar nicht so schwer ist, wie er versichert. „Man darf nur nicht länger als einen Tag dafür brauchen.“

Das kommt ihm entgegen, denn der tenden­ziell Schüchterne ist schnell gelangweilt, und er mag das Glattgebürstete nicht. Dafür mag er Marcel Duchamp, „der immer wieder etwas Neues begonnen hat“ und dabei Dadaismus und Surrealismus den Weg bereitete. Also ging Just selbst irgend­ wann „lieber nicht mehr so oft in tolle Restaurants“, sondern blieb zu Hause und schrieb ein Buch mit dem schönen Titel „Der Moddetektiv“, das vor Kurzem im Milena Verlag erschienen ist. Tim und Struppi nennt er als Vorbild für seinen Detektivroman. Wer den Plot verstehen will, muss am Ende ein Kreuzworträtsel lösen.

Dieser August Johnny Sandemann sollte eine möglichst abseitige Figur werden, die sprachliche Arbeit daran war anspruchsvoll. Just hat drei bis vier Schreibstile in seiner Persiflage verwoben, von „Sie griffen sich aus und es war geil!“ bis hin zu Klassikern wie Charles Dickens oder Balzac. Die 14­-stündi­gen Schreibschichten, in denen er an dem Buch arbeitete, „belasteten manchmal schon die Ehe“. Dabei war es seine Frau, die ihm überhaupt erst den Anstoß gab zu diesem Projekt: „Willst du immer der Facebook­-Kasperl bleiben?“, fragte sie ihren Scherzbold. Da hatte er sich gerade mit Clemens Haipl darum gematcht, wer von ihnen den kleinsten Schwanz hat.

„Ich hoffe, dass ich die Frische nicht ver­liere!“, sagt Just zum Abschied und zündet sich entspannt eine Camel an. Dann schlüpft er in seinen nachtblauen Mantel und ent­schwindet in den sonnenhellen Tag.


2017-03-31 - Die Presse / Schaufenster

Christopher Just: Der Mod und die Mörder

Musiker Christopher Just hat einen Roman geschrieben: „Der Moddetektiv“ ist eine heitere Persiflage, bei der nicht einmal der Autor selbst verschont bleibt.


„Es war fast, wie wenn man in einer Parallelwelt lebt“, erzählt Christopher Just von den Monaten, in denen er sein erstes Buch geschrieben hat, „man will gar nicht mehr aus seinen Geschichten hinaus in die Realität“. Just, der mit elektronischer Musik ab den 1990ern von seiner Heimatstadt Wien aus auch international als DJ und Produzent bekannt wurde, tauschte vor Kurzem den Club gegen den Schreibtisch. Auch von Facebook und Co. verabschiedete er sich für sein Romanprojekt: „Ich ging komplett raus aus den Social Media. Vom nächsten Tag an ging die Schreiberei los, bis zu vierzehn Stunden am Tag.“ Als Ergebnis dieses „super lustigen Trips“ liegen nun über fünfhundert vergnüglich-verrückte Seiten vor, auf denen er erzählt, wie „Der Moddetektiv“ Augustin Johnny Sandemann einen Mord klärt und dabei die Welt rettet.

Absurde Spiele. Vom Techno-DJ zum Autor war es für Just kein so weiter Sprung, wie es den Anschein nimmt. Gelesen habe er immer gern, erzählt er von begeisterten Lektüren eines Bret Easton Ellis oder Houellebecq. Ans eigene Schaffen wagte er sich aber lange nicht: „Das schien mir immer etwas sehr Großes.“ Doch als ihm vor einigen Jahren angeboten wurde, Kurzgeschichten zu schreiben, spürte er, wie viel Freude er dabei hatte. Etwas auszuprobieren, ohne viel nachzudenken, ob man es gerade richtig mache oder welches Ziel dahinter stehe, das stand für ihn schon bei der Musik an erster Stelle; daran habe sich beim Schreiben nichts geändert. Deshalb habe er sich auch für sein Buch im Vorhinein keinen Plot ausgedacht: „Das ist nicht mein Ding. Mein Gedanke war: Ich erfinde eine absurde Person, und diese steht in einem Raum einfach auf und marschiert los. Ich wusste nicht, wohin sie geht, wen sie trifft, ob überhaupt eine Geschichte passieren wird, sondern ich habe beinahe zugeschaut. Diese Reise war ein Erlebnis“, schildert Just, wie seine Hauptfigur und die anderen Protagonisten ihn mit der Zeit selbst überraschten.

Solche Überraschungsmomente vermögen mit ein Grund zu sein, warum für ihn mittlerweile nicht die Musik, auch nicht die Malerei — Just malt immer wieder, war für einige Zeit an der Universität für angewandte Kunst eingeschrieben —, sondern das Schreiben die liebste Tätigkeit ist: „Das Großartige daran ist, dass man alles zur Verfügung hat, das ganze Universum. In einem Buch kannst du ja alles machen.“ So ziemlich alles hat er sich nun in seinem Roman erlaubt: „Manchmal musste ich selbst lachen, was ich da schreibe“, amüsiert er sich über seine Geschichte, die „ja eigentlich total hanebüchen ist“: Der amphetaminsüchtige Privatermittler Sandemann nennt sich lieber Moddetektiv, da er den Stil der 60er-Jahre Subkultur der Mods verkörpert; Stichwort Parka, Vespa und The Who. Als ein anderer Mod ermordet wird, soll er den Fall klären. Schuld kann nur jemand aus der rivalisierenden Szene der Teds sein, denkt man. Doch dann passiert ein verheerender Anschlag mit einer vermeintlichen Superwaffe, der mit dem ersten Mord verwoben ist und Verbindungen zur Immobilienszene offenlegt. Die Lösung des Falles wird zum Rätsel auf mehreren Ebenen; und das Spiel damit sei wichtiger gewesen als der Plot selbst, Just hat Fakes, Unsinn oder Spielereien mit dem Leser eingebaut: „Für mich war wesentlich, eine Metaebene zu schaffen.“

Fiebertraum. „Letztendlich ist es ein Spiel mit dem Medium selbst: Was ist Literatur?“, fasst Just seine Absicht zusammen. „Es ist eine Collage, hat etwas Kulissenhaftes, ist ein bisschen wie ein Fiebertraum,“ ergänzt er. In seiner Fiktion verschwimmen auch Zeit und Ort der Handlung so, dass unklar bleibt: Befinden wir uns hier im Wien der Gegenwart? „Je nach Tagesform“, meint Just, habe er für diese Collage verschiedenste Einflüsse aufgesogen und Klischees ad absurdum geführt: von Balzac bis zu „Tim und Struppi“, von David Lynch bis zu „Columbo“, vom Genre Kriminalroman bis zu Fragen der Gentrifizierung und Immobilienspekulation. Natürlich seien auch autobiographische Reminiszenzen eingeflossen: „Es geht nicht anders. Wenn man Situationen und Gefühle beschreiben will, ist es gut, sie selbst erlebt zu haben“, sagt Just, der als Jugendlicher übrigens selbst Mod war — eine Zeit, von der ihm bis heute nur der Kleidungsstil lieb geblieben ist.

An einer Stelle im Buch tritt Just gar persönlich auf: als koksender DJ in einem Club, wo er den Mod­­detektiv trifft, der sich auch nicht gerade nüchtern mit seiner weiblichen Begleitung vergnügt. „Sex und Drogen sind ja die großen Themen im Leben“, findet Just. „Ich habe in der Techno-Zeit meine Erfahrungen gemacht. Vieles ist natürlich überspitzt dargestellt, ich lasse meine Phantasie gern spielen. Mich selbst in meiner eigenen Geschichte lächerlich zu machen, war aber ein seltsames Gefühl“, erzählt er: Bei seiner ausufernden Persiflage macht er auch nicht vor der eigenen Person halt. Apropos: Auch am ausgedehnten Erzähltempo merkt man, dass Just das Ausufern am Herzen lag: „Die Protagonisten müssten ganz dringend diesen Fall erledigen, aber verzetteln sich dauernd“, schildert Just und kommt schließlich auf seine Social-Media-Abstinenz zurück, mit der das Schreiben für ihn begonnen hat: „Durch die Digitalisierung und die ständige Vernetztheit ist alles so rasant geworden. Ich wollte etwas Entschleunigendes machen.“

Magdalena Mayer (Die Presse - Schaufenster)

2017-03-30 - FM4, Philipp L'heritier

Won't Get Fooled Again

Alles nur Pose, Halluzination und ein Roman ohne Boden. "Der Moddetektiv" von Christopher Just.


Das falsche Leben im falschen. Christopher Just, Wiener quatschaffiner Techno-Schlingel und, sagen wir es ruhig einmal so, DJ-Ikone, hat einen Roman geschrieben, in dem so einiges los ist an Plot, an Handlungssträngen und narrativen Linien, die sich fein verwirren – vielmehr aber als um die Mechanik von Dramaturgie und die "große Geschichte" geht es hier um das Ausweisen von Literatur als Literatur, um das Spiel mit Ebenen, Styles und Jargons.

"Der Moddetektiv" heißt Justs Buch, und das ist schon mal gut albern. Ein Moddetektiv dürfte in der Literaturgeschichte noch keinen allzu prominenten Platz besetzt haben.

Plot als Fußnote

Das Fundament der weit verzweigten Handlung lässt sich vage umreißen: Der schon etwas in die Jahre gekommene, aber schon noch recht fesche und den Tabletten und Getränken nicht abgeneigte Mod Augustin Johnny Sandemann arbeitet als Privatermittler und greift dank Szene-Knowledge und Subkultur-Connections gelegentlich der Polizei helfend unter die Arme.

Schauplatz der Geschichte ist ein herbeihalluziniertes Parallel-Wien der ungefähren Gegenwart. Aber einer anderen. Straßen heißen hier zum Beispiel so: Larksfield Blvd. oder Strozzi Ave. Es gibt keine Social Media. Bezahlen kann man mit US-amerikanischen Dollar oder südafrikanischen Rand.

2017-03-25 - A-List.at

Christopher Just ist Szenefigur, Musikproduzent, DJ und Schriftsteller. Sein neuer Roman "Der Moddetektiv" handelt vom amphetaminsüchtigen Privatermittler Augustin Johnny Sandemann – einem gutaussehenden Mann in den besten Jahren.

Empfehlen Sie uns die schönsten und schaurigsten Orte Wiens!
Schön sind der Prater im Herbst und Winter, der Naschmarkt am Sonntag, das Concordia Schlössl am Zentralfriedhof. Schaurig sind das Arik-Brauer-Haus (Gumpendorfer Straße 134-136) und das FashionTV Café beim Karlsplatz (Kärntner Straße 53).

Verraten Sie uns drei Lieder, die Sie mögen und die Wien gut beschreiben?
"Ganz Wien hat den Blues" von Peter Cornelius. "Wien ohne Wiener" von Georg Kreisler. "Sex in der Stadt" von Peter Weibel & Hotel Morphila Orchester.

Ein Wiener Hotel, in das Sie auch einziehen würden?
Das Hotel Kummer, vielleicht aber auch das Hotel Regina (Rooseveltplatz 15). Von beiden erwarte ich mir eine gewisse geschichtenerzählende Patina.

Wo in Wien kaufen Sie einen Parka, sollten Sie je einen brauchen?
Bei Little Joe's Gang in der Operngasse.

Der Moddetektiv trinkt Shandy Cola, isst Fish & Chips und Palatschinken. Was sind Ihre Lieblingsspeisen und in welchen Wiener Lokalen treffen wir Sie?
Meine Lieblingsspeise ist Osso Buco. Jedoch habe ich bisher noch kein Restaurant gefunden, das dieses Gericht so perfekt zubereitet wie meine Mutter. Im Schwarzen Kameel (Bognergasse 5) habe ich stets gut und gerne gespeist, z.B. Ochsenschlepp. Und: Einmal im Jahr eine Stelze im Schweizerhaus (Prater 116) muss sein! Neu entdeckt, obwohl es das wohl schon länger gibt, habe ich das Salonplafond im MAK, zu dessen Besuch ich weniger aufgrund der dort angebotenen Speisen anrate, sondern wegen des amüsant/verlegenen Beratschlagens, zu welchem man nach Verlangen der Rechnung genötigt wird (der Gast bestimmt völlig uneingeschränkt den Betrag, welchen er zu zahlen gewillt ist).

Sie sind nicht nur Schriftsteller, sondern auch DJ. Welche Bars und Clubs empfehlen Sie uns?
Sie werden es kaum glauben, aber ich bin kein großer Ausgeher. Also halte ich mich an die Klassiker. Für Drinks: Loosbar. Für Musik: Zirkus Maximus, Jazz Panoptikum, beides in wechselnden Locations.

Wo geht's am nächsten Tag auf ein Hangover-Frühstück?
Auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen: Ich trinke kaum Alkohol. Versetze ich mich aber in jemanden hinein, der dies im Übermaß tut und hernach darunter leidet, so wäre meine Empfehlung: Kutteln in Pfeffersauce bei Happy Buddha.

Sie bezeichnen Ihr Buch "Der Moddetektiv" als Kultroman. Was daran ist Kult?
Der Kult, den der Moddetektiv um Kleidung, Musik, Einrichtungsgegenstände und Fahrzeuge betreibt, natürlich! Die Kulthandlung, sich aus freien Stücken in die Isolation zu begeben und sich voll und ganz dem Stil einer vergangenen Epoche zu verschreiben. Abgesehen davon verfügt der Roman neben grellem Trash und hintersinnigem Witz über unzählige Tonlagen und schriftstellerische Stilmittel, demontiert und persifliert Genres und ist als Wien-Buch abseits der gängigen Klischees zu lesen. Kurz: Bessere Unterhaltung wird man auf legalem wie illegalem Wege nirgendwo finden!

Hat der Moddetektiv autobiografische Züge?
Nun, es gibt schon die eine oder andere Parallele zu meiner Person. So manche der im Buch geschilderten Ereignisse habe ich tatsächlich erlebt. Dennoch ist der Moddetektiv eine eigenständige Figur, deren charakterliche Entwicklung im Verlauf der Geschichte selbst mich zu überraschen verstand.

Der beste Wiener Ort, um das nächste Buch zu schreiben?
Nach wie vor mein Arbeitszimmer. Doch sollte ich gezwungen werden dieses zu verlassen, könnte ich mir der Internationalität wegen einen Büroraum in der Uno City vorstellen.

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