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Buchreihen
256 Seiten
Hardcover
€ 23.00
ISBN 978-3-903184-03-9
Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.
TSCHULIE
Was Tschulie wirklich mag: 1. Fernsehen, 2. Essen, 3. Schlafen.
Ein tragikomischer Roman über Tschulie und Karin, zwei Frauen aus zwei Parallelwelten unserer Gesellschaft, angesiedelt irgendwo zwischen Biosupermarkt, Political Correctness und Lebensentwürfen aus dem Fernsehen.
Tschulie ist Schulabbrecherin, arbeitet (noch) in einem Sonnenstudio und wohnt bei ihrer Mutter und deren Freund im Gemeindebau. Sie soll aber schleunigst ausziehen, weil die Wohnung für drei einfach zu klein ist. Die Lösung wäre, einen Millionär zu finden, aber das Einreichformular von „Der Bachelor“ ist total kompliziert.
Irgendwie bekommt Tschulie nicht viel auf die Reihe. Selbst der auserwählte, reiche Gymnasiast (in der Disco kennengelernt) entpuppt sich als pickeliger, verwöhnter Loser, der am Rockzipfel seiner reichen Mama hängt. Dafür entdeckt seine spießige Mutter Karin in Tschulie ein willkommenes Selbstverwirklichungsprojekt. Der Teenager lenkt die perfektionistische Alleinerzieherin von der eigenen chronischen Unzufriedenheit ab. Durch Karin landet Tschulie bei einer esoterischen Frauengruppe auf dem Lande, befreundet sich mit einer alten Frau aus einem Pensionistenwohnhaus – und am Ende erreichen beide Frauen ein ungeplantes Ziel
Schule ist so fad. Arbeiten ist fad. Meine AMS-Betreuerin hat beim letzten Termin gesagt, ich soll einfach mal überlegen, was mich wirklich interessiert. Das sollte ich aufschreiben. Ganz ehrlich und ganz schnell, was mir so in den Kopf kommt. Ich habe aufgeschrieben:
Lesen
Kinder
Spaß haben
Malen
Bewegen
Natur
Die Beraterin war begeistert. Sie wollte mich sofort für eine Kindergartenschule anmelden.
Ich war natürlich nicht ehrlich. Mir sind die Sachen nur eingefallen, weil ich Germany’s Next Topmodel gesehen habe. Da hat Heidi Klum zu einer gesagt: Du musst mehr können als schön sein. Und ein anderes Topmodel hat dann ihre wichtigsten Dinge aufgezählt. Das waren genau die. Ich habe nur »Spaß haben« selber dazuerfunden. Und das ist ehrlich. Spaß habe ich gern. Die Beraterin hat schon den Hörer in die Hand genommen und gesagt: »Ich ruf jetzt die Kindergartenschule an.« Ich hab ihr das ausgeredet. Das war nicht leicht, fast eine Stunde hab ich dafür gebraucht. Oder mindestens zehn Minuten. Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles gesagt habe, aber irgendwann hab ich gemeint, dass ich eine gesunde Watschen gut finde. Da hat sie sofort aufgelegt. Zuhause habe ich meine eigene Liste gemacht, eine wirklich ganz ehrliche. Die war so:
Fernsehen
Essen
Schlafen
»Guten Tag.«
Eine uralte Frau steht da. Sie hat einen Stock und eine riesige Tasche.
»Ich suche die Wäscherei«, sagt sie.
»Das ist sie nicht«, antworte ich. Das ist die dritte Person, seit ich hier arbeite, die wissen will, wo die blöde Wäscherei ist.
»Wo ist sie denn?«
»Bin ich der Herold?«
Die Frau sagt nichts. Sie schaut nur böse. Hexe.
»Die Straße hinunter, glaube ich.«
Sie wackelt mit ihrer Tasche hinaus. Ich kann Leute nicht leiden, die hereinplatzen, wenn ich arbeite. Ich schau ihr nach. Immer wenn ich alte Leute sehe, denke ich mir: So will ich nicht werden. Vielleicht haben die als Junge dasselbe gedacht. Das ist traurig. Daran darf ich nicht denken. Ich muss mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren! Das hat Zoe bei Buffy auch einmal gesagt: Ich muss im Hier und Jetzt leben. Hier und jetzt muss ich einen Plan haben.
Also meine Liste. Ich habe lange nachgedacht und ein paar andere Sachen hingeschrieben. Zum Beispiel Facebook. Aber ich hab es wieder weggestrichen. Ich mag Facebook gar nicht, obwohl ich fast immer auf Facebook bin. Aber es passiert so wenig.
Ich finde auch telefonieren blöd. Und shopping. Das ist nur teuer. Vielleicht, wenn ich einmal ganz viel Geld habe. Ich habe kein Geld. Ich mag nicht einmal rauchen so richtig. Das ist wie mit dem Trinken. Ich kann ja nicht nicht fortgehen und nicht saufen. Dabei mag ich fortgehen genauso nicht. Aber daheim bleiben noch weniger. Das ist deswegen, weil ich Depressionen habe. Das kenne ich aus Vampire Diaries. Da hat Elena auch Depressionen bekommen, wie sie sich zum Vampir verwandelt hat. In dieser Folge ist das Wort Depressionen vorgekommen. Das habe ich gegoogelt, weil ich es schon einmal in Gossip Girl gehört habe. Da hat Serena Depressionen gehabt. Und ich hab auch ganz arge Depressionen.
„Ach, Tschulie. Wenn sie im AMS gefragt wird, ob sie irgendwas interessiert, dann antwortet sie: Lesen. Bewegen. Malen. Kinder.
Das hat Tschulie nämlich bei "Germany’s Next Topmodel" von einer Kandidatin gehört. Also sagt sie’s auch. Und muss die Beraterin zurückhalten, damit die ihr keinen Ausbildungsplatz als Kindergärtnerin zuteilt. In Wahrheit will Tschulie: Fernsehen. Essen. Schlafen. Zurzeit jobbt sie im Soli – also im Solarium. Eine Schulabbrecherin, die von ihrer Mutter auf die Straße bugsiert wird, weil die mit ihrem neuen Lebensgefährten allein sein will.
Dann lernt sie einen Typen kennen, der sieht zwar wie der hochbegabte Sheldon aus der TV-Serie Big Bang Theory" aus. Aber er kann immerhin auf dem Computer alle Kinofilme streamen. Dafür entjungfert Tschulie den Buben gern. Als sie bei ihm einziehen will, ist er lieber nicht zu Hause, aber seine Mutter ... und das wird jetzt noch besser.
Denn zwar ist das eine andere Welt, andererseits ist auch dieser wohlhabenden Frau recht fad im Kopf. Sie würd’ gern malen. Aber sie macht es nicht. Schauen sich die um 20 Jahre ältere Karin ab sofort gemeinsam mit der "Proletenschlampe" Seifenopern im Fernsehen an?
Was Silvia Pistotnig – Klagenfurterin in Wien – geschrieben hat, ist nicht nur sehr vergnüglich. Sondern gesund: Was als Karikaturen beginnt, wird allmählich so echt menschlich, und da kann man nicht abwehren: Pah, lauter Klischees.
Herrlich ist das, weil man es ja normalerweise ja nicht laut sagen darf, dass Klischees passen können.
"Die Alte" nimmt Tschulie in einen esoterisch angehauchte Frauengruppe mit, damit etwas wird aus ihr. Wodka mit Red Bull trinkt dort niemand. Tschulie könnte depressiv werden – seit sie in "Vampire Diaries" gehört hat, was das ist.
Wieder eine feine Entdeckung des kleinen Milena Verlags aus der Wiener Josefstadt. Silvia Pistotnig hat etwas drauf, das man lieben muss. Sprache nämlich. Witz. Und Herz.“
Kurier, Peter Pisa, Dezember 2017