328 Seiten
Klappenbroschur

€ 20.00

ISBN 978-3-903184-06-0

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Jan Kossdorff

SUNNYBOYS

Zwei Brüder, ein Sonnenstudio, die süße Jenny und dann noch die Eltern auf einer Sexparty! Eine menschliche Komödie um Beziehungen, Verhältnisse, Affären und retour.
Ein unprätentiöser Roman für alle, die einen temporeichen Trip in männliche Gefühlswelten unternehmen wollen.

Eigentlich hat sich Clemens Kommenda in seinem Leben bequem eingerichtet. Er führt gemeinsam mit seinem Bruder Claudio ein gut gehendes Sonnenstudio. Seine Freundin, die attraktive und fürsorgliche Volksschullehrerin Martina, wäre die ideale Kandidatin für die Rolle der Ehefrau und Mutter seiner Kinder.
Aber: Erstens gibt’s da noch die Affäre mit Jenny, zweitens arbeitet Clemens im Nebenjob als Privatdetektiv und drittens gerät er dadurch in die Situation, die alles verändert. Er erhascht einen entlarvenden Blick auf seine Eltern, und all die Dinge, die bisher nicht ausgesprochen wurden, drängen nun an die Oberfläche. Clemens erkennt: Nicht nur seine Eltern haben ein Doppelleben geführt.

An einem strahlend schönen, sonnigen Junitag, an dem man sein Gesicht nur in den Himmel zu strecken braucht, anstatt sieben Euro für zwanzig Minuten auf der Sonnenbank hinzublättern, parke ich meinen Citroen BX mit Youngtimer-Status wie fast jeden Morgen vor dem Sun City. Ich höre mir die letzten Takte von Stevie Wonders »Superstitious« an, dann schwinge ich mich aus dem Wagen. Als ich vor der Eingangstür stehe, habe ich den Schwung bereits aufgebraucht. Es ist mir teuflisch unangenehm, den Laden zu betreten, so wie es mir an jedem Tag seit etwa vier Monaten unangenehm ist – so lange habe ich schon ein Verhältnis mit unserer Angestellten Jenny Schickel.
Ich stoße mich selber vorwärts und drücke die Tür des Sun City auf. Kokosölgeruch, Zigarettenrauch, leise Jamiroquai-Musik und der Klang von Claudios Rezitationsstimme empfangen mich. Mein Bruder steht hinter dem Tresen und veralbert vor einem Publikum von zwei Frühpensionisten, einer Friseurin im Krankenstand, einem Botendienstfahrer und den beiden Schickel-Schwestern einen Artikel in der Kronen Zeitung. Keiner scheint mich zu bemerken. Seit Neuestem trägt Claudio in der Arbeit Jeans und Hemden, anstatt seines alten Lieblings-Sportdresses mit der glänzenden Jacke aus irgendeinem flotten Material, das Raumfahrern tolle Dienste leistet. Ich schätze, er möchte jetzt mehr als leger-erfolgreicher Unternehmer der kreativen und querköpfigen Art rüberkommen – in einer Reihe mit der neuen unkonventionellen Winzer-Generation, smarten Passivhaus-Architekten oder materialverliebten High-End-Kaminbauern. Wie das mit einem Sonnenstudio zusammenpasst, ist eine andere Geschichte.
Unten trägt Claudio Sportschuhe, oben Glatze. Seltsamerweise verliert er seine Haare, seit er fünfundzwanzig ist, während weder mein Vater noch ich unter Haarausfall leiden. Möglicherweise liegt es an den Steroiden, die er zu seiner Bodybuilding-Zeit wie Popcorn gefressen hat. Von den Muskelbergen ist nicht viel geblieben: Claudio ist jetzt 36 Jahre alt und seit fast acht Jahren nicht mehr aktiv. Obwohl er immer noch kräftig gebaut ist, würden sich die meisten Kerle wohl locker ein Handgemenge mit ihm zutrauen, vor allem weil er klein ist. Aber die Kraft von damals hat ihn nicht verlassen, er ist immer noch zäh und massiv, und niemand, den ich kenne, hätte nur den Hauch einer Chance, ihn im Armdrücken zu besiegen. Claudio möchte es aber so sehen, dass er die Kraft des Bizeps gegen jene des Humors eingetauscht hat, die Rolle des dumpfen »Starken Mannes« gegen die des klugen Conférenciers.
Ich bin zwei Jahre jünger als er, aber das ist noch unser geringster Unterschied. Kein Mensch nimmt uns ab, dass wir Brüder sind: Ich bin über 1 Meter 90, ziemlich schlank und habe dunkle und eigenwillige Haare, mit denen man drei Köpfe vollmachen könnte. Seit Jahren trage ich sie etwa schulterlang. Der Kurzhaarschnitt, den ich früher bevorzugt habe, lässt mich gemeinsam mit meinen eher verschlossenen Zügen zu sehr nach einem Armee-Deserteur auf der Suche nach einer Flasche Schnaps und einem zünftigen Raufhandel aussehen. Entgegen sonstiger Unterschiede haben Claudio und ich aber exakt die gleiche Stimme. Wir benutzen sie nur anders: Während ich eher der Silbenverschlucker und Murmler bin, tutet Claudio auf seinem Organ herum, als müsste er im Alleingang eine Stadt evakuieren.
Dabei gilt die Regel: je unwichtiger und/oder dämlicher der Inhalt, desto lauter die Tröte.
»›Flucht in den Tod. Sommelier ertrank in eiskaltem Fluss‹. Wovor muss denn ein Sommelier flüchten? Hat der Wein so einen Kork gehabt, dass sie ihn gleich aus seinem Lokal getrieben haben? Aber dass sie ihn dann ertränken, ist schon sehr heikel. Ach, da hab ich mich verlesen, das war ein Somalier, kein Sommelier! So ein Flüchtling also!«
Es folgt asthmatisches Gelächter von der Frühpensionistenpartei, abgebrüht schiefes Lächeln von den Schickel-Schwestern (»Er ist der Chef, er sagt, wenn’s lustig ist.«), und die Friseurin weiß weder was ein Somalier noch ein Sommelier ist, weswegen sie am schrills-ten lacht.
Jeden Morgen geht das so: Claudio zitiert aus der Zeitung und improvisiert dazu. Mein Bruder denkt, an ihm sei ein großer Wortakrobat verloren gegangen. Seit der letzten Pleite ist er aber etwas stiller geworden. Vor einigen Monaten kam er mit der Idee für einen frechen Spruch zu mir, den er im ganz großen Stil zu vermarkten gedachte: »In Wien gehen die Huren anders!« Das war als Wortspiel für seine Maßstäbe zwar recht gelungen und als Zitat beim Wirten noch immer eine Trumpfkarte, aber den Kult darum konnte ich mir dann doch nicht vorstellen. Claudio schien zu ahnen, dass ihn vielleicht nie wieder so ein Geistesblitz treffen würde, dass dies womöglich sein »Ich kam, sah und siegte« war, und begann, seinen Spruch in ewigen Marmor zu ritzen – genauer: ins Internet.

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