neuerscheinungen
literatur
comic
horror
klassiker
krimi
sachbuch
wissenschaft
zeitgeschichte
beastie_books
humor
glitzer_und_grind
Buchreihen
112 Seiten, mit Illustrationen
Hardcover mit Farbschnitt, Leseband
€ 20.00
ISBN 978-3-903184-97-8
Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.
BITTE DAS ROLLO RUNTERLASSEN, DAMIT DIE DREI WASCHBÄREN DRAUSSEN NICHT REINSCHAUEN KÖNNEN
Was erlebt man als Pfleger tagtäglich in einem Altenpflegeheim? Seit 19 Monaten ist Robert Adler als Betreuer in einem Seniorenzentrum angestellt und erlebt dort sehr unterhaltsame und lustige, aber auch sehr berührende Momente. Ob philosophisch, soziologisch oder psychologisch betrachtet – die Erfahrungen, die er in seiner Arbeit macht, sind auf vielen Ebenen spannend, lehrreich und interessant. Adler hat die besten Geschichten und Anekdoten für dieses Buch aufgezeichnet.
Mit gemeinsamen Gesprächen, Spielen, Aktivitäten und Spaziergängen versucht Robert jeden Tag, die Seniorinnen und Senioren zu beschäftigen und aufzumuntern. Dabei erlebt er auch viel Skurriles und bekommt so manches erzählt, das er für dieses Buch zusammengetragen und festgehalten hat.
Trotz der ständigen Konfrontation mit Themen, mit denen wir uns alle früher oder später auseinandersetzen müssen – Älterwerden, Altersdepression, Vergänglichkeit, Schmerz, Leiden, Krankheit, Tod, Abschied, Trauerverarbeitung etc. –, gibt es immer wieder sehr komische Erlebnisse, die jeden Arbeitsalltag zum neuen Highlight machen. Schwarzhumorige Konversationen, Stofftiere, die für lebendig gehalten werden, eine ehemalige Ballerina, die täglich im Bademantel durch die Gänge tanzt, eine Bewohnerin, die sich für eine Gräfin hält … Die alten Menschen gewähren dem jungen Pfleger Einlass in ihre Welt. Es sind faszinierende, wahre Lebensgeschichten, die jeden Tag erzählt werden und beweisen, dass das Leben bizarrere Geschichten schreibt als jede Art von Fiktion.
ALLES AUF ZUCKER
Es ist zirka 13 Uhr am Nachmittag, da teilen wir immer nach dem Mittagessen Kaffee, Kuchen, Tee, Mehlspeisen, Obst und Snacks bei den Bewohnerinnen und Bewohnern aus. Manche essen im Zimmer, manche in den Speisesälen draußen, manche möchten auch gar nichts und haben groß auf ihrer Zimmertür stehen: »Von 13 bis 15 Uhr bitte nicht stören, Mittagsruhe«.
Frau P. ist schwer dement und hat Parkinson. Viel weiß man leider von ihr nicht. Sie hat keinerlei Blutsverwandte mehr, nur eine Angehörige (72, freischaffende Künstlerin), ihre ehemalige Nachbarin, die regelmäßig zu Besuch kommt. Verheiratet war sie nie, auch sonst weiß man leider wenig.
Ich bin in der Zwischenzeit dabei, das Geschirr in den Zimmern wieder abzuservieren.
Ich komme ins Zimmer von Frau P., alles ist weiß.
Sie hat mit ihrem großen Zuckerstreuer fleißig alles angezuckert; die Möbel, die Zimmerblumen, den Fußboden, sogar das Bett.
»Schneit es heute?«, frage ich.
»Ja«, sagt Frau P.
DOCH NICHT
Es ist jedes Mal dasselbe: Frau S. redet immer vom Sterben, wenn man zu ihr ins Zimmer kommt. Egal, zu welcher Uhrzeit. Ob früh, ob spät. Du kommst zu ihr und du weißt genau, was sie als Erstes sagen wird.
»Ich will STER-BEN. Ich will STER-BEN!!!«
Ich kann sie durchaus verstehen. Irgendwann mag man halt einfach nicht mehr, schätze ich. Man wird des Lebens überdrüssig.
»Sehen tu ich fast nix mehr, hören tu ich fast nix mehr, alles is hin, alles tut weh. Wann sterb’ ich denn endlich? Lassts mich doch endlich STER-BEN!!«
Dann setze ich ihr eine große coole Sonnenbrille auf, einen edlen schicken Jägerhut und wir fahren gemeinsam hinaus ins Freie in den Garten.
»Ist das HERRLICH. Ist das HERR-LICH!! So eine gute, frische Luft. Mein Güte! Und die blühenden Blumen. So schön!! Und die Sonne. So warm! So angenehm. Einfach HERR-LICH!«
»Wollen Sie immer noch sterben?«
»Na jo … Vielleicht nächste Woche.«
KATZEN 1
Frau S. besitzt zwei Stofftier-Plüschkatzen. Sie hält sie aber für echte Katzen.
»Bring sie zum Tierarzt, bitte«, wünscht sich Frau S. von mir
»Die zwei schauen recht fit aus«, meine ich. »Und du schaust ja auch gut auf die beiden.«
»Na, des kann man nie wissen. Einmal jährlich zur Kontrolle beim Tierarzt – mindestens! Vielleicht müssen s’ entwurmt werden.«
Ich nehme die zwei Stoffkatzen also mit und komme nach zwei Stunden mit ihnen wieder.
»Was hat der Tierarzt gesagt?«, fragt Frau S.
»Sie sind pumperlg’sund. Alles tipptopp. Nur sehr auffällig ruhig.«
»Jo, das is eh kloar«, meint Frau S., »ich hab’s ja gut erzogen.«
Von Lebensweisheit und Humor
So ein Altenheim ist schon ein seltsamer Ort – das geht einem bei der Lektüre von Robert Adlers Buch von Zeit zu Zeit durch den Kopf. „Bitte das Rollo runterlassen, damit die drei Waschbären nicht reinschauen können“ ist der zwar nicht sehr prägnante aber dafür umso humorvollere Titel des Werks. Es ist das Zitat einer Altenheimbewohnerin und ein kleiner Vorgeschmack, der den Inhalt des Buchs auf ganz treffende Weise ankündigt:
Adler, Altenbetreuer in einer Seniorenresidenz in Österreich, veröffentlicht ein Sammelsurium aus unfreiwillig komischen, traurigen, nachdenklich stimmenden und kuriosen Momenten aus seinem Arbeitsalltag.
Das Ergebnis ist vor allem unterhaltsam und nicht selten urkomisch, sodass man beim Lesen der ein oder anderen Anekdote laut lachen muss. Zum Beispiel wenn Frau S. „wieder einmal sterben möchte“ und den Pfleger bittet, sie auf den Balkon einen Stock höher zu bringen − mit den Worten: „Da können S’ mich dann einfach runterschmeißen“. Oder wenn die demente Frau G., die einst als Friseurmeisterin arbeitete, trotz Coronainfektion alle paar Minuten ihre Zimmertür aufreißt und in den Gang plärrt: „Der Nächste, bitte!“
Viele Momente, die Adler erlebt, sind aber auch berührend, manche traurig oder gespickt von Weisheiten – Gedanken von Menschen, die den Großteil ihres Lebens bereits gelebt haben. Ein bereichernder Einblick in eine Welt, in die nur wenige so genau schauen können, vielleicht auch wollen.
Immer mit höchstem Respekt zeigt Adler, dass auch (oder vor allem?!) die ältere Generation ihren Humor nicht verloren hat.
Passauer Neue Presse, Florentina Czerny, November 2022