€ 26.00

ISBN 978-3-903460-28-7
400 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag, Leseband Erscheint Februar 2024

Otto Basil

WENN DAS DER FÜHRER WÜSSTE

Was wäre, wenn …? Otto Basil schrieb mit diesem Roman eine ungeheuerliche Satire auf das „Dritte Reich“. Hitlers Armeen haben den Krieg gewonnen, die Welt ist aufgeteilt in das Germanische Weltreich und Japan. Der Tanz in den Untergang des Dritten Weltkriegs ist nicht mehr aufzuhalten.

Hitler hat gesiegt, die Atombombe fiel nicht auf Hiroshima, sondern auf London. Berlin ist die Hauptstadt der Macht, Stadl-Paura ist auf Hitlers ausdrücklichen Wunsch hin die Hauptstadt Österreichs. Der Papst und der Dalai-Lama werden in Kliniken gefangen gehalten, von Irland bis zum Ural erheben sich die SS-Ordensburgen, die Zuchtmutterklöster, die Walhallen der Ariosophen, die Napolas und Untermenschenlager. Das ist die Kulisse, als Adolf Hitler stirbt und unter ungeheurem Pomp bestattet wird. Sein Nachfolger heißt Ivo Köpfler (Heil Köpfler!).
Mittendrin in diesem Albtraum der getreue Parteigenosse Albin Totila Höllriegl, ein Österreicher, den ein gewaltiger Auftrag nach Berlin führt ...

Wenn das der Führer wüsste erschien erstmals 1966 und sorgte bei der Literaturkritik für großes Aufsehen. Ein Roman, den man nicht vergisst. Mit Gastauftritten von Heimito von Doderer und Martin Heidegger.

Der Speisesaal war ein öder, aus Sparwut trübselig beleuchteter Raum mit wachstuchüberzogenen Tischen. Auf jedem Tisch stand die gleiche billige Vase mit Kunstblumen. Ein paar Pensionsgäste waren schon da und saßen stumm auf den reihenweise angeordneten Stühlen, andere trudelten frostig herein. Die Herren sahen samt und sonders wie Provinzonkel aus (und waren es wohl auch), die Damen wie Angestellte von Mutterberatungsstellen. Alle machten besorgte, abweisende Mienen, die meisten trugen Nationaltrauer. Höllriegl, der seine Uniform anhatte, der einzige Farbfleck in dem Schwarz und Grau dieser Menschen mit den übermüdeten Gesichtern.
Auf dem bläulich wabernden Fernsehschirm – das Gerät auf einem Postament unter dem mit schwarzem Flor drapierten Führerbild – erschienen Bildausschnitte aus dem Reichsrat, von einem unablässig und gedämpft redenden Sprecher kommentiert. Das Kamera-Auge tastete, wie üblich, die riesige Gefolgschaftshalle ab; sie hatte die Form eines altgermanischen Metsaales und war mit Schilden, Hörnern, strohernen Glücksrädern und den historischen Standarten der nationalen Erhebung geschmückt. Hier waren in den letzten Jahren die größten Entscheidungen der Geschichte gefallen – die Halle selbst war Vorbild für Abertausende Gemeinschaftshallen in der Weltweite des Großgermanischen Reiches. Der Anblick begeisterte Höllriegl stets aufs Neue. In diesem Saal wurde die Vergangenheit einer großen Nation lebendig, das Adelige, die Tradition der Haltung und des Geistes, der ewigen Vorbilder, der hohen Ahnen.
Die Sitzordnung der Reichsräte war streng. Nach Rang und Namen waren die Männer von den Toren nach dem Hochsitz hingeordnet, wie es die Überlieferung vorschrieb. In Tornähe saßen die niedrigeren, in Hochsitznähe die höheren und höchsten Ränge. Die Kamera brachte in Schwebeaufnahmen und kühnen Schwenkungen den einen oder andern der Reichsedlen ins Bild. Der Hochsitz war noch leer. Über ihm das mit dem Hoheitszeichen verhüllte Bild des Führers, darüber in Gold der Adler. Eine Zweimannwache, wie aus schwarzem Erz, stand dort, die verwaiste Führerstandarte in Händen. Einen ungewohnten Anblick boten die vielen SS-Männer, sie trugen ihre Laser-Pistolen umgehängt, die wie optische Instrumente aussahen. Die Waffenträger waren hinter den Bänken der Hauskarle postiert – unbewegte Idole einer Macht, wie sie auf Erden noch nie erschienen war.
Wenn der Sprecher eine Atempause machte, hörte man nur Räuspern und das Knarren der Bänke. Niemand wagte ein Wort, alles wartete mit zurückgestauter Erregung auf das, was kommen würde. Der Blutadel des Germanischen Weltreichs, die »fylgd«, auch »hird« genannt, war versammelt; einen erkrankten Gefolgsmann hatte man sogar auf der Tragbahre hereingebracht. Soeben nahmen die Reichsräte – sie waren, wie jedermann bemerken konnte, nicht vollzählig – auf den Bänken rund um den Hochsitz des Führers die Plätze ein, um, wie der Kommentator mit vor Ehrfurcht ersterbender Stimme erklärte, eine Botschaft entgegenzunehmen, die bestimmend sein würde für die weiteren Geschicke der Menschheit. An die Übertragung angeschlossen waren alle großen Netzwerke der Welt, Richtstrahler und Relaisketten übermittelten Wort und Bild in die entlegensten Gebiete. Um zu zeigen, dass der Sitzung globale Bedeutung zukäme, wurden Ausschnitte von gleichzeitig stattfindenden Großkundgebungen in Rom, Madrid, Paris, Neu-London, Corpus Christi, Buenos Aires, Pretoria in den Saal hinein gespiegelt und in die Sendung eingeblendet. Man sah geschichtliche Größen, wie den Führer des Bretonischen Freistaates Déat und den greisen Laval, Vidkun Quisling, General Wlassow und Sir Oswald Mosley, den Kanzler von Burgund Léon Degrelle, den Caudillo, Mussolinis Nachfolger Vinciguerra und den Vorsitzenden des Dreierrates der Kukluxer, Senator Brad Gusto Fazlollah, vor der Kamera posieren. Es wurden auch Ausschnitte von einem Appell im Weiheraum der Wewelsburg bei Paderborn gezeigt, wo der Reichsverweser für die Westgebiete Opferkuch seine Vasallen aufgeboten hatte. Ein malerisches Bild bot der Osten; so erschienen Szenen aus einer Versammlung der Reichsfronvögte im Kreml und von einem unter freiem Himmel abgehaltenen Aufgebot, das der Jessaul Pschischtsche, oberster Ataman der Autonomen Kosakenherrschafte am Kuban, in der Hauptstadt Mazeppa einberufen , wobei ganze Sotnien im Scheinwerferlicht an dem Jessaul vorübergaloppierten.
Als die Luren ertönten – es war eine bis dahin noch nie gehörte Intrada –, wandten sich aller Augen dem großen Hallentor gegenüber dem Hochsitz zu. Jupitersonnen flammten auf. Im selben Augenblick betrat ein schmächtiger Mann unbestimmbaren Alters den Saal, er hatte keine Suite. Er war bartlos und hohlwangig, der kleine Mund eingefallen, so als fehlten die Zähne. Die Gesichtshaut war gelblich, ledrig, künstlich gebräunt, das Haar dünn, schütter, farblos und weit aus der Stirn zurückgewichen. Der Mann trug Röhrenstiefel und eine einfache, schwarze, ziemlich schlecht sitzende SS-Uniform ohne jedes Rangabzeichen. Sein Gehaben war zwar militärisch, aber ohne die übliche Zackigkeit. Ein Wald von emporgereckten Armen schnellte ihm entgegen, die Köpfe der Reichsedlen und Hauskarle drehten sich, als er rasch und mit hocherhobener Rechten durch das Spalier der Mannen auf den Hochsitz zuschritt. Er hatte eine Mappe unterm Arm. Höllriegl sah mit Befremden, ja mit dem Gefühl, als berühre er etwas Gefährliches und dabei Ekles, dass die schwarzen Recken ihre Laser in Anschlag gebracht hatten.
Plötzlich jauchzte eine Jünglingsstimme auf, und es war ein heller, rasender Schrei, der sich da erhob und sich vielfach in den Wölbungen der Halle brach: »Heil Köpfler!« Mit brausenden, nicht enden wollenden Heilrufen stimmte die Gefolgschaft des Reichsrats ein, der Saal erbebte in seinen Grundfesten, und aus dem Chaos wilder, ekstatischer Schreie formte sich ein Massenchor, der taktmäßig »Köpf-lér! Köpf-lér! Köpf-lér! Köpf-lér!« brüllte. Der schmächtige Mann schien sich um das Getobe nicht zu kümmern. Lange verharrte er vor der umflorten Führerstandarte in stiller Trauer. Dann nahm er auf dem Hochsitz Platz, und sofort schwenkte der mit Fernsehkameras gespickte Kran an ihn heran und brachte in blitzschnell wechselnden Aufnahmen seine Person, das Gesicht, die billig aussehende Plastikmappe (sie war abgetragen) ins Bild. Die Stellung, die Köpfler auf dem Hochsitz einnahm, war eigenartig; es sah aus, als wollte er jeden Augenblick aufspringen.
Wer war dieser Mann? Alle kannten seinen hohen Rang, seine Verdienste, seine Schlüsselstellung in der Partei; man wusste auch, dass er zu den treuesten Paladinen des Führers gehört hatte. Woher, aus welcher Versenkung er einst gekommen war, hätte niemand mit Sicherheit zu sagen gewusst. Es hieß, er stamme aus Kroatien, worauf auch sein Vorname Ivo deute, und wäre in den »Jahren der Ehrlosigkeit« (gemeint ist die Zeit nach Versailles) als arbeitsloser Buchhalter zur Bewegung gestoßen. Bereits im Range eines SA-Standartenführers habe er aktiv an der Röhm-Revolte teilgenommen, sei aber, statt sofort erschossen
zu werden, mit anderen Mitverschworenen von einem Sondertribunal des SA-Gerichtsamtes zum Tod durch Enthaupten verurteilt worden – im Gefängnis habe er dann den Namen Köpfler angenommen, den Spitznamen der Fallbeilkandidaten. In letzter Minute, Köpfler hatte bereits das Papierhemd angehabt, wäre ihm eine wundersame Errettung zuteil geworden: Aus unbekannten und unerfindlichen Gründen wurde er vom damaligen Stabschef der SA – es war Lutze – aus der Haft befreit und dem Führer »zur besonderen Verwendung« überstellt. Ivo Köpflers weiterer Lebensweg – er war inzwischen zur SS hinübergewechselt – lag im Dunkeln. Erst im Fronteinsatz, als Initiator des bekannten, gegen die jugoslawischen Guerillas gerichteten »Unternehmens Waldteufel«, machte er wieder von sich reden. Diesen Kleinkrieg führte er mit solchem Fanatismus und so vorbildlicher Grausamkeit, dass fortan sein Name ein fast legendärer Begriff war, insbesondere unter den Werwolfkadern. Doch bald tauchte Köpfler wieder im Zwielicht unter. Man sagte von ihm, er wäre einer der Stillen im Land, und in der Parteispitze nannte man ihn nur den »Spurenverwischer«. Im Volksmund aber lebte er unter dem Namen »Waldteufel« weiter, auch schätzte man seinen asischen Zunamen »Schreckenshelm« (der »Oegishialmr« der Eddalieder). Zuletzt hatte er, noch unter Martin Bormann und als dessen Stabsleiter und engster Vertrauter, an der Liquidation des Amtes des Stellvertreters des Führers mitgearbeitet und war – wir haben es bereits erwähnt – nach Bormanns Ableben zum allmächtigen Reichsleiter, Chef der Reichskanzlei und Reichsminister aufgestiegen. Bis jetzt die schnellste und steilste Karriere im Tausendjährigen Reich der Deutschen!

Basils Buch, an dessen endzeitlicher Atmosphäre Quentin Tarantino seine helle Freude hätte, gerät zum NS-Roadmovie: Albin Höllriegls VW und Hitlers Autobahnen sind dafür prädestiniert.
MARCEL ATZE

Man legt diesen Roman mit Atemnot aus der Hand.
ORF

Grotesk, großartig und ungeheuer!
WIENER WOCHENAUSGABE

Ich habe so sehr gelacht wie schon lange nicht mehr und wenns nicht so eine traurige Geschichte wäre, wärs noch lustiger.
Werner Labisch, Verbrecher Verlag.

Diese Wiederentdeckung ist zum Fürchten
Peter Pisa, Kurier

Das Buch hat mich umgehauen. Eines der besten Bücher der letzten Jahre und das allerbeste aus dem "was wäre wenn"-Genre. Bisher war Vaterland von Robert Harris mein Favorit aber Basil schlägt ihn um Längen.
Gerrit Schoof, Dittrich Verlag

Dass der Milena-Verlag das Werk nun neu auf den Markt gebracht hat, ist ein Glücksgriff, denn Basils krude Geschichtsfantasie, die eine Satire auf den Nationalsozialismus, aber auch eine bittere Parodie auf die weltpolitischen Verhältnisse der Nachkriegszeit ist, hat sich sehr gut gehalten und ist auch deshalb frisch und lesbar geblieben, weil der Autor sich trotz seines Themas in kein moralisches Korsett zwängen ließ.
Klaus Kastberger Falter Büchherbst.

Basil, der Probleme mit der Gestapo und sogar Schreibverbot hatte, rechnet in seinem satirischen Roman mit dem Nazi-Regime ab. Das Buch zählt zu den wichtigsten Werken der deutschsprachigen Science Fiction.
Christian Endres, Zitty Berlin

(..)so wüst, krude, perfide, bösartig, grotesk atemberaubend und durch und durch nicht im Geringsten zur Identifikation einladend - es gibt nicht einen Charakter, der auch nur einen sympathischen Wesenszug aufweist - war damals seit Längerem kein deutschsprachiger Roman mehr gewesen. Nicht mehr seit Günter Grass' Blechtrommel von 1959. Verglichen mit dem Danziger ist Basil trockener. Zugleich aber rabiater. Und in seiner Konsequenz auch selbstpeinigender.
Alexander Kluy, Der Standard

Der ebenso komische wie verstörende Roman, der erstmals 1966 erschien, wurde bislang eher als SF-Roman denn als Satire gelesen – und war sogar ein kleiner Bestseller. (..) Basil kennt sich in der esoterischen Mythenwelt der Nazis, die die Historiker in den sechziger Jahren noch gar nicht zur Kenntnis nehmen wollten, sehr genau aus. So erwähnt er etwa die SS-Ordensburg Wewelsburg, die es tatsächlich gab, die jedoch von den Geschichtswissenschaftlern jahrzehntelang ignoriert wurde. (...) Schon insofern handelt es sich bei dieser Satire um einen weitaus realistischeren Roman als manch anderen, der vorgibt, die Nazizeit literarisch zu beschreiben.
Jörg Sundermeier, Jungle World

Dieser Text oszilliert, deliriert, denunziert alle nur erdenklichen Typen von Charakterschweinen, den Autor, im Zweifel, eingeschlossen. Anstrengend. X-Rated. Ein Skandal. Eine Wiederentdeckung.
INMünchen

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