2. AUFLAGE
128 Seiten
Hardcover mit Leseband

€ 21.00

ISBN 978-3-903460-09-6

Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.

Monika Reitprecht

Den Titel hab ich leider vergessen … aber es ist blau

Mit knapp 70.000 Followern auf Facebook und 22.000 auf Twitter sind die Büchereien Wien eine der erfolgreichsten öffentlichen Institutionen in den sozialen Medien. Verantwortlich für den großen Erfolg sind die höchst komisch geschilderten und gewitzt kommentierten Alltagssituationen einer Wiener Bibliothekarin.

Wie humorvoll es in den Büchereien der Stadt Wien zugeht, beweisen die in diesem Buch gesammelten Postings und Tweets der Bibliothekarin Monika Reitprecht. Nach ihrem erfolgreichen ersten Band „Wo stehen hier die E-Books?“ folgt nun die Fortsetzung. Auch der zweite Band erlaubt wieder tiefe Einblicke hinter die Kulissen der Buchwelt. Denn die letzten Jahre haben natürlich auch die Büchereien vor neue Herausforderungen gestellt; es galt Dresscodes (FFP2) einzuhalten und neben dem Katalogisieren musste auch desinfiziert werden. Unterhaltsam war der bibliothekarische Alltag aber selbst im härtesten Lockdown.

Heftiger Hustenanfall während eines Telefonats:
„Omikron?"
„Leibniz."

„Ich kann die E-Books nicht laden."
„Welche Titel haben Sie derzeit?"
„Einen Magister."
Das sollte eigentlich reichen.

„Wie wird eigentlich das Genre des Buchs festgelegt?"
Alle skandinavischen Autoren Krimi, alles über 800 Seiten Fantasy. Den Rest stellen wir zu den veganen Kochbüchern.

Die Bücherei des 21. Jahrhunderts ist keine stille Gruft. Kinder lachen. Teenies kreischen. Eltern plaudern. Bibliothekar*innen schreien. Alle telefonieren.
Sie ist ein Inferno.

Laut einer Studie leben Menschen, die lesen, im Durchschnitt zwei Jahre länger.
Man hat dann einfach weniger Zeit für Sportunfälle.

„Meine Tochter war letzte Woche bei ihren Großeltern in Wien und die haben sie bei den Büchereien angemeldet. Kann ich das stornieren?"
Natürlich, es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wien fahren und mit einer Büchereikarte zurückkommen.

Kundenanfragen



"Es ist mir nicht möglich, das Buch zurückzugeben, da ich es noch nicht ausgelesen habe."
Sie haben damit den schwachen Punkt des Konzepts Leihbücherei getroffen.

"Ich warte auf ein Buch, das schon vor Tagen retourniert hätte werden sollen. Ich hoffe, dem derzeitigen Leser wurde bereits gedroht?"
Der Pferdekopf ging heute mit der Dienstpost weg.

"Ich habe das Buch in einem meiner beiden Zweitwohnsitze vergessen. Bitte verlängern, die Überziehungsgebühren sind ja doch recht happig."
Stimmt, da könnte es mit einem vierten Wohnsitz eng werden.

"Ich bin völlig fassungslos. Das ist mir in meiner
mittlerweile vierzigjährigen Mitgliedschaft noch nie passiert. Was kann ich tun, um das wiedergutzumachen?"
Zahlen Sie einfach die 30 Cent für den einen Tag Verspätung, und wir reden nimmer drüber.

"Hallo, ich bin die Frau, die die Bücher nicht rechtzeitig zurückgegeben hat."
Ach, Sie sind das – wir hatten schon gerätselt, wer zu einer solchen Tat fähig sein könnte.

"Die Bücher sind ganz nass!"
"Nicht was Sie denken – das ist nur vom Regen."
WAS SOLL ICH DENKEN???

"Sollte das Buch nicht mehr auftauchen, wie verhalte ich mich?"
Unauffällig.

"Ich heirate am Wochenende, können Sie das Buch noch mal verlängern?"
Der Titel "Mut zur Trennung" zeugt jedenfalls von bemerkenswertem Weitblick.

Kundin hat eines unserer Bücher verloren: "Ich bringe Ihnen stattdessen Kuchen, das nützt Ihnen mehr als die paar Euro."
Sollen sie doch Kuchen lesen!

"Was, Sie geben die Bücher zum Altpapier?!"
Ich bin eine Doppelnull-Bibliothekarin und habe die
Lizenz zum Entsorgen von Büchern.

"Ab wann macht ein Büchereibesuch Sinn, mein Sohn wird im Juli ein Jahr alt?"
Wenn er bis jetzt noch nicht bei uns war, ist eh schon alles zu spät.

"Ich habe die Bücher noch nicht fertig gelesen. Kann ich sie trotzdem zurückgeben?"
Gern sehen wir das natürlich nicht. Aber wenn Sie unsere Kontrollfragen dennoch beantworten können, wollen wir mal nicht so sein.

"Aus welcher Schule seid ihr?"
Kind: "Diefenbach."
Lehrerin: "In ganzen Sätzen antworten!"
Diefenbach, Oida.

"Kennen Sie die Hauptbücherei?"
"Ist das das neben der Lugner City?"
Nein, die Lugner City ist das neben der Hauptbücherei.

"Wir haben die Ausleihfrist verlängert."
"Vielen Dank! Ihre E-Mail hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert."
Man ist ja mittlerweile für jede nicht völlig niederschmetternde Nachricht dankbar.

Der Arbeitsalltag einer Bibliothekar:in soll langweilig sein? Ganz und gar nicht, wie das zweite Buch von Monika Reitprecht, ihres Zeichens Bibliothekarin in der Hauptbücherei Wien, zeigt – er ist vor allem witzig! Der Facebook (und Twitter) Account der Hauptbücherei Wien ist bereits legendär.
Denn die kurzen humorvollen Postings lassen die Leser:in nicht nur schmunzeln, sondern sehr oft laut auflachen. Die Besten dieser Witze und amüsanten Beobachtungen versammelt in Buchform gibt es jetzt für die Handtasche oder den Rucksack. Perfekt für unterwegs, zum Lesen im Urlaub, in der U-Bahn oder um mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht einzuschlafen. Das Beste sind natürlich die Kapitel „Kundenanfragen“ und „E-Book-Support“ – man muss sich schon manchmal fragen, was sich andere Leute so fragen, aber lustig ist es!
Und es zeigt: um Bibliothekar:in zu sein, schadet es nicht, eine gute Portion Schlagfertigkeit im Gepäck zu haben.

Weiberdiwan, Juli 2023, Andreea Zelinka



Bibliothekarin, aber witzig

Einem Speibsackerl verdankt Monika Reitprecht ihren ersten und einzigen Shitstorm. Ein Buch des brasilianischen Autors Paulo Coelho war in einer Zweigstelle der Büchereien Wien zurückgegeben worden. Darin lag eines der weißen Papiersäckchen aus dem Flugzeug, das der Nutzer sichtlich als Lesezeichen verwendet hatte. Am 21. März 2015 setzte Reitprecht dazu einen Tweet samt Foto ab: „Wir haben nun Lesezeichen speziell für Paulo-Coelho-Bücher.“
Die spirituellen Geschichten des brasilianischen Bestsellerautors finden die einen erhellend, die anderen zu platt. Ein ganzer Artikel auf orf.at widmete sich damals den Reaktionen auf Reitprechts Tweet. Ein Grund, die Jahreskarte zu verlängern, schrieb eine Userin. „Das ist eigentlich nicht die Rolle einer öffentlichen Bücherei“, befand hingegen Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren.
„Ich darf die Bücher schlecht finden“, verteidigt sich Reitprecht. Und sie darf das posten, im Namen der Büchereien Wien mit den 38 Zweigstellen und 1,3 Millionen Büchern, DVDs, E-Books und weiteren Medien. Seit 2009 befüllt die 49-Jährige die Facebook-und Twitter-Kanäle des städtischen Bibliotheksnetzes, eigentlich gemeinsam mit einer Kollegin; doch Reitprecht ist es, die dieser Tage ihr bereits zweites Buch mit den besten Postings veröffentlicht.
„Den Titel hab ich leider vergessen aber es ist blau“ heißt das Neue, und besteht hauptsächlich aus solchen Kundenanfragen, und den schrägsten Ausreden für zu spät zurückgebrachte Bücher. Garniert sind die Zitate mit Reitprechts – in der Regel unausgesprochenen – Antworten. „'Es ist mir nicht möglich, das Buch zurückzugeben, da ich es noch nicht ausgelesen habe.' - Sie haben damit den schwachen Punkt des Konzepts Leihbücherei getroffen.“ „'Das E-Book „Kapitalismus“ funktioniert nicht!' - Wenn es nur das E-Book wäre.“
Trocken mit leichter Schärfe, verschroben, aber lebensnah, intellektuell ohne Arroganz. Der Humor kommt an: Immerhin 69.000 Nutzer folgen ihr auf Facebook, 23.000 auf Twitter. Aber wer ist Österreichs bekannteste Bibliothekarin?
In Wien-Liesing aufgewachsen, lasen ihr die Eltern vor, ging sie oft mit der Mutter in die Bücherei, um sich die Bücher von Christine Nöstlinger auszuleihen. Reitprecht studierte Geschichte und Politikwissenschaften und sah sich danach in einer wissenschaftlichen Bibliothek oder einem Verlag. Aber dann war bei den Büchereien Wien eine Stelle frei. 1999 begann sie in der Hauptbücherei, damals noch mit Sitz in der Josefstädter Skodagasse.
Seit 2009 steht sie nicht mehr hinter der Theke. Stattdessen kümmert sie sich um die Website, Facebook und Twitter sowie die E-Books. Kundenbegegnungen hat sie nun per Mail; in ihre Postings fließt aber auch ein, was ihr Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirken erzählen. Anfangs blieben die Inhalte brav – Veranstaltungsankündigungen und Links zu Buchrezensionen; doch die frechen Beobachtungen sorgten für Klicks, die Bücherei ließ sie gewähren.
25 Millionen Euro lässt sich die Stadt ihre Büchereien jährlich kosten. Im internationalen Vergleich ist das günstig: Hamburg hat für sein ähnlich großes Bibliotheksnetz ein Budget von 36 Millionen Euro. Das Wiener System entstand Ende des 19. Jahrhunderts, als private Vereine unterschiedlicher politischer Couleur Leihbibliotheken einrichteten. In der Ersten Republik wurde die sozialistische Bildungszentrale mit ihren 60 Arbeiterbüchereien der wichtigste Träger. 1936 wurden sie vom austrofaschistischen Regime übernommen, das auch gleich den Bestand zensierte: Kant, Dostojewski, Tucholsky – 1500 Titel flogen raus. Die Nazis säuberten munter weiter.
Nach 1945 blieb das Büchereiwesen in der öffentlichen Hand. 40 Medien leiht sich jeder Nutzer im Schnitt pro Jahr aus. Minderjährige machen die Hälfte der angemeldeten Nutzer aus. Möglicherweise, weil sie die Jahreskarte, die sonst 32 Euro kostet, gratis bekommen.
Die jungen Nutzer sind es auch, die an diesem Dienstagnachmittag in der Hauptbücherei am Gürtel umherwuseln und über ihren Hausaufgaben brüten. Durch die Pandemie schrumpfte die Zahl der Kartenbesitzer von rund 170.000 auf 143.000. Die Tendenz geht trotzdem Richtung Erholung, immerhin waren es wieder 149.000 im Vorjahr, beim Vorkrisenniveau ist man aber noch nicht angelangt.
Dafür nahmen – wenig überraschend – die E-Book-Entlehnungen zu. Also Reitprechts Zuständigkeit. Sie ist für den Ankauf neuer E-Werke zuständig, im Bibliothekssprech Lektorat genannt. Ja, Kunden dürfen ihre Wünsche senden, alle zwei Wochen wird eingekauft, etwa 200 Titel sind es meist. Rund 89.000 gibt es mittlerweile.
Was in den Bestand kommt, entscheiden Qualitätskriterien -und Menschen wie Reitprecht. Rechtsextreme Hetzschriften und Corona-Geschwurbel nicht, Winnetou und Pippi Langstrumpf schon. Marc Elsberg, Gertraud Klemm, Daniel Glattauer – auch Reitprechts Buchempfehlungen auf Twitter sind progressiv, aber nicht elitär.
Das Klischee der strengen, verstaubten Bibliothekarin will Reitprecht aufbrechen, mit ihrem Humor und auch, indem sie erklärt, was ihr Job beinhaltet. Den Umgang mit Menschen zum Beispiel. Und so flapsig sie auf den sozialen Medien daherkommt, so überlegt ist sie im Gespräch. Die bekannteste Bibliothekarin des Landes ist keine Selbstdarstellerin, sondern höflich, ja ein wenig vorsichtig. „Die Bücherei ist ein sozialer Treffpunkt“, sagt sie dann. Ein älterer Herr geht fluchend vorbei: „So ein depperter Scheißdreck!“ Reitprecht grinst, ihr Kommentar kommt prompt: "Wir haben viele zufriedene Kunden!" Anderthalb Stunden später ist der Tweet gepostet.

Falter, Anna Goldenberg, 24.3.2023

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